Zuckerfest in Trümmern
Von Jörg TiedjenSchon die Hoffnung auf einen Ramadan ohne Tod und Zerstörung hatte sich nicht erfüllt. Nun müssen die Einwohner Gazas auch das anschließende mehrtägige Zuckerfest unter Kriegsbedingungen verbringen. Wie die palästinensische Agentur WAFA schrieb, wurde das obligatorische Gebet zum Beginn der hohen Feiertage am Mittwoch morgen »auf den Ruinen der durch die israelische Aggression zerstörten Moscheen, in zu Notunterkünften umfunktionierten Schulen und bei Regen und Kälte auf öffentlichen Plätzen« verrichtet. Auf dem Tempelberg in Jerusalem waren zur gleichen Zeit Zehntausende Muslime zu dem Gebet zusammengekommen, wobei viele sich laut Fernsehsender Al-Majadin über von der Besatzungsmacht angeordnete Zutrittsbeschränkungen und in den vergangenen Monaten verschärfte Repressionen hinwegzusetzen versuchten.
Am Vorabend waren bei einem Angriff israelischer Kampfflugzeuge auf ein Wohnhaus im Flüchtlingslager Nuseirat im Zentrum Gazas mindestens 14 palästinensische Zivilisten getötet und weitere verletzt worden. Bei den meisten Opfern soll es sich WAFA zufolge um Kinder und Frauen handeln. Erst in der vergangenen Woche war auf der Website +972 eine Recherche veröffentlicht worden, nach der Israels Armee ihre Ziele mit Hilfe eines Computerprogramms namens »Lavender« auswählt und bei der Liquidierung mutmaßlicher Hamas-Kämpfer auf sogenannte Kollateralschäden, das heißt zivile Tote im Umfeld, keine Rücksicht nimmt. Das Massaker wirkt wie eine Bestätigung dieser Analyse.
Die Verhandlungen zwischen Israel und Hamas in Kairo scheinen festgefahren. Wie Al-Majadin am Dienstag abend mitteilte, gehe die palästinensische Organisation nach wie vor davon aus, dass Israel zu einem dauerhaften Waffenstillstand nicht bereit und lediglich an einem Gefangenenaustausch interessiert sei. Auch über die Zahl der freizulassenden Geiseln gebe es Unstimmigkeiten. Andererseits brachte US-Präsident Joseph Biden in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit dem Sender Univision eine Beendigung des Krieges ohne die Vorbedingung einer Freilassung aller israelischen Geiseln ins Spiel. Diese Möglichkeit wurde allerdings vom Weißen Haus sogleich dementiert.
Irans oberster Staatschef Ali Khamenei bekräftigte am Mittwoch anlässlich des Zuckerfests in Teheran, dass sein Land wegen des wohl von Israel durchgeführten Angriffs auf die iranische Botschaft in Damaskus Vergeltung üben werde. Hinsichtlich der angekündigten Bodenoffensive auf die Stadt Rafah im Süden Gazas soll Israels Verteidigungsminister Joaw Gallant einem Axios-Bericht vom Dienstag zufolge frühere Aussagen von Premierminister Benjamin Netanjahu korrigiert und verneint haben, dass ein Termin dafür bereits feststehe. Irlands Regierung stellte sich am Dienstag abend an die Seite der bedrängten Menschen in Gaza und im Westjordanland, indem sie die baldige Anerkennung eines Staates Palästina in Aussicht stellte. Auch Spaniens Premierminister Pedro Sánchez gab eine entsprechende Erklärung ab.
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