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Aus: Ausgabe vom 10.04.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Chip- und Displayindustrie

Streikbereitschaft bei Samsung Electronics

Südkorea: Große Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder für ersten Ausstand seit Konzerngründung 1969
Von Martin Weiser, Seoul
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Das Votum war eindeutig. Am 8. April veröffentlichten die Gewerkschaften von Samsung Electronics das Ergebnis der Streikabstimmung, die im März von den fünf Einzelgewerkschaften durchgeführt worden war. 97,5 Prozent stimmten für Arbeitsniederlegungen, drei Viertel der Gewerkschaftsmitglieder nahmen teil. Damit hat die Gewerkschaft die letzte Hürde genommen, um einen Streik zu beginnen. Es wäre der erste Ausstand bei Samsung Electronics seit der Gründung 1969.

National Samsung Electronics Union (NSEU) ist mit mehr als 21.000 stimmberechtigten Mitgliedern die größte Gewerkschaft des Unternehmens. Hier stimmten 87 Prozent ab und nur 312 Mitglieder oder 1,5 Prozent sprachen sich gegen den Streik aus. Anders verhielt es sich bei der Display-Gewerkschaft des Konzerns. Dort beteiligten sich nur etwas mehr als ein Drittel der 6.210 Gewerkschafter an der Abstimmung, wobei allerdings nur zehn Prozent dagegen stimmten. Weil sie nicht mindestens die Hälfte mobilisieren konnte, kann diese Gewerkschaft nicht am Streik teilnehmen. Die anderen drei Gewerkschaften erreichten das nötige Quroum, allerdings sind die Organisationen sehr viel kleiner und haben zusammen nur etwas mehr als 300 Mitglieder. Der Zulauf zur National Samsung Electronics Union nahm vor Ende der Abstimmung noch einmal Fahrt auf. Mit 2.581 Eintritten allein in der letzten Woche zählt sie jetzt 25.500 Mitglieder. Damit stellen die organisierten Arbeiter mehr als ein Viertel der Beschäftigten bei Samsung Electronics.

In der sensiblen Situation vor Bekanntgabe des Ergebnisses verbreitete dann noch eine Journalistin Falschinformationen über den Arbeitskampf, um den eigenen Artikel attraktiver zu machen. Am 3. April titelte die südkoreanische Nachrichtenagentur Newsis: »Samsung-Gewerkschafter im obersten Prozent beim Einkommen und versuchten dennoch wie in den Achtzigern das Büro des Direktors zu stürmen.« Das wurde von der Gewerkschaft direkt dementiert und richtiggestellt. Bisher gab es keine weiteren Versuche, die Samsung-Gewerkschaften öffentlich zu diskreditieren. Die Gewerkschaft stellte aber vorsorglich eine Handynummer auf ihre Internetseite, damit Journalisten noch einmal nachfragen, bevor sie ungeprüft Unwahrheiten zu verbreiten.

Die wirtschaftsnahe Presse Südkoreas schreibt bereits seit Wochen von dem »Gewerkschaftsrisiko«, dem Samsung Electronics jetzt ausgesetzt sei. Das würde Aktienkurse ruinieren, Kunden vergraulen, also den Konzern auch ohne Streik bereits sehr viel Geld kosten. Derartige Berichte unterstreichen, unter welchem Druck die Konzernführung steht, allen voran der Executive Chairman und Enkel des Unternehmensgründers Lee Jae Yong. Der wollte sich als Innovator inszenieren, mit neuer Unternehmenskultur und flachen Hierarchien. Die jüngsten Gerichtsurteile gegen Gewerkschaftszerschlagung in der Unternehmensgruppe lassen ihn wahrscheinlich bei dem Thema auch etwas vorsichtiger agieren als seine Vorgänger.

Letzte Woche gab der Konzern bekannt, dass der Gewinn sich im ersten Quartal verzehnfacht habe. Damit wäre wieder genug Geld in den Kassen, um die Tariferhöhungen locker zu bezahlen. Dass die Gewerkschaft in der störanfälligen Chipproduktion nun von einem Tag auf den anderen in den Streik gehen kann, ist da hilfreich. Bisher hat die Gewerkschaft aber nur eine Demo für die nächste Woche angekündigt. Samsung Electronics hat also noch Zeit zu überlegen, ob es Geld verlieren will oder zumindest ein bisschen davon mit den Arbeitern teilt.

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