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Aus: Ausgabe vom 10.04.2024, Seite 7 / Ausland
Lateinamerika

Annäherung unter Nachbarn

Kolumbien und Venezuela legen Streit um Wahlen bei und betonen Ausbau bilateraler Beziehungen
Von Julieta Daza, Caracas
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Seinem Amtskollegen aus Kolumbien die Hände gereicht: Venezuelas Außenamtschef Yván Gil (Caracas, 20.2.2024)

Die jüngst aufgekommenen erneuten Spannungen zwischen Venezuela und Kolumbien scheinen beigelegt. Das ist das Ergebnis eines Treffens, bei dem am Montag der venezolanische Außenamtschef Yván Gil und sein Amtskollege Luis Murillo in der kolumbianischen Grenzstadt Cúcuta zusammenkamen. Den Zwist zwischen den beiden südamerikanischen Nachbarländern ausgelöst hatten die im Juli bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Venezuela. Über das Thema gab es erst zwei Wochen zuvor einen scharfen diplomatischen Wortwechsel.

Am 26. März hatte das kolumbianische Außenministerium ein Kommuniqué veröffentlicht, in dem es seine »Besorgnis« darüber zum Ausdruck brachte, dass einigen Präsidentschaftsanwärtern der venezolanischen Opposition und besonders der »Plataforma Unitaria Democrática« und dem »Movimiento Vente Venezuela« bei den Nominierungen von der Wahlbehörde Hindernisse in den Weg gelegt worden seien. Die genannten Formationen wollten aber die extrem rechte Politikerin María Corina Machado als Kandidatin ins Rennen schicken, die wegen Steuerhinterziehung für 15 Jahre für öffentliche Ämter disqualifiziert worden war. Nicht einmal eine Stunde nach Veröffentlichung der Stellungnahme hatte Gil auf X entgegnet: »Getrieben von der Notwendigkeit, US-Plänen zu entsprechen, macht das kolumbianische Außenministerium einen falschen Schritt und mischt sich in grober Weise in Angelegenheiten ein, die nur das venezolanische Volk betreffen«, schrieb Gil.

Die persönliche Begegnung der beiden Chefdiplomaten hat den Ton sichtlich wieder gemildert. Caracas habe die regionale Organisation Celac und die kolumbianische Regierung eingeladen, internationale Beobachter für den Urnengang zu entsenden, betonte Gil nach der Begegnung auf X. Außerdem lobte er die Ausweitung des binationalen Handels sowie neue Flugverbindungen zwischen den Nachbarländern. Sein Amtskollege Murillo wiederum hatte für die große in Venezuela lebende kolumbianische Gemeinschaft eine gute Nachricht: Kolumbien habe bereits fünf Konsulate in Venezuela eingerichtet und hoffe, im kommenden Jahr acht weitere öffnen zu können.

Es handelte sich bei der Zusammenkunft um das erste Treffen zur Weiterverfolgung der im Juni vergangenen Jahres zwischen beiden Staaten gebildeten Nachbarschafts- und Integrationskommission. Diese soll die bilateralen Beziehungen sowie den Verkehr an der mehr als 2.219 Kilometer langen Grenze wieder normalisieren, nachdem die wichtigsten Übergänge 2015 wegen des Konflikts zwischen Venezuela und der damaligen Rechtsregierung Kolumbiens für Fahrzeuge geschlossen worden waren. Zudem hatte Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro 2019 die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien abgebrochen, als dessen rechter Präsident Iván Duque den Oppositionspolitiker Juan Guaidó als Übergangspräsidenten Venezuelas anerkannte.

Über diese Themen sprach jW mit dem politischen Geographen Jorge Forero, Mitglied des Zentrums für Grenzforschung (CIEF): »Die Herausforderung ist eine Zusammenarbeit, die es ermöglicht, in der Grenzregion die formelle Wirtschaft gegenüber der informellen und illegalen zu fördern. Letztere dominiert infolge des fast zehnjährigen Fehlens von Kooperationsmechanismen aufgrund der politischen Krise. Auch die Eskalation der Gewalt muss durch Zusammenarbeit eingedämmt werden.« Grund für dieselbe sei die »staatliche Nichteinhaltung des Friedensabkommens von 2016 zwischen der damaligen rechten kolumbianischen Regierung und der ehemaligen linken Guerillaorganisation FARC-EP«, so Forero. Die Fixierung auf Sicherheitsfragen müsse aber einer Stärkung der Institutionen sowie der Wahrung der Rechte der Bevölkerung weichen. Vor allem, nachdem für die Grenzregion jahrelang Ausnahmeregelungen galten. »In Bereichen wie Mobilität und Verkehr, Arbeit und Infrastruktur sowie in Industriezweigen wie dem Energiesektor müssen unbedingt Fortschritte durch neue binationale Abkommen erzielt werden«, forderte Forero. Im Anschluss an die Außenminister wollten am Dienstag (Ortszeit) auch Maduro und sein kolumbianischer Amtskollege Gustavo Petro zusammentreffen.

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