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Aus: Ausgabe vom 09.04.2024, Seite 4 / Inland
Krieg gegen Gaza

Gegen deutsche Waffen in Gaza

Hunderte Bundesbeschäftigte fordern in offenem Brief Stopp von Rüstungsexporten aus BRD an Israel
Von Jamal Iqrith
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Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Lieferant von Waffen an Israel (Nürnberg, 1.4.2024)

Deutschland steht unverbrüchlich an der Seite Israels. An dieser gebetsmühlenartig vorgetragenen »Staatsräson« haben auch sechs Monate israelischer Krieg gegen die Palästinenser im Gazastreifen mit Zehntausenden zivilen Toten nichts geändert. Im Gegenteil: Deutsche Waffenexporte an Tel Aviv wurden seit dem 7. Oktober 2023 sogar drastisch erhöht. Doch die Bundesregierung gerät deswegen zunehmend unter Druck.

Gegen die deutsche materielle und politische Unterstützung der israelischen Verbrechen wenden sich nun Hunderte von Bundesbeschäftigten in einem anonymen Aufruf, der am 3. April an führende Mitglieder der Bundesregierung verschickt wurde. Das Schriftstück, das junge Welt vorliegt, wurde am Sonntag öffentlich – einen Tag bevor vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag die Anhörung zu Nicaraguas Vorwurf der deutschen Beihilfe zum Völkermord im Gazastreifen begann.

junge Welt konnte mit zwei Initiatoren sprechen und ihre Identitäten verifizieren. Bereits im Oktober wurde laut diesen damit angefangen, Unterstützung zu organisieren – inzwischen stehen demnach rund 600 Beamte und Beschäftigte des öffentlichen Diensts hinter dem Aufruf, unter anderem aus dem Auswärtigem Amt, dem Kanzleramt, dem Umweltministerium und weiteren Ressorts. Von der Bundesregierung habe man bisher keine Antwort auf den Aufruf erhalten.

Die Bundesbeschäftigten fordern die Ampelregierung in dem fünfseitigen Schreiben auf, die »Waffenlieferungen an die israelische Regierung mit sofortiger Wirkung einzustellen«. Daneben müsse Deutschland die Zahlungen an das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge UNRWA mit »sofortiger Wirkung wieder aufnehmen« sowie »alles in seiner Macht Stehende tun, um Israel dazu zu veranlassen, Hilfslieferungen unverzüglich in den Gazastreifen zu lassen«.

Israel, ein »Apartheitsregime«, das lediglich der »israelischen Bevölkerung Demokratie« gewähre, begehe in dem dicht besiedelten Landstrich Verbrechen, die im »evidenten Widerspruch zum Völkerrecht und damit zum Grundgesetz« stünden, heißt es in der Stellungnahme. Die BRD unterstützte die »völkerrechtswidrige Politik« Israels »politisch, wirtschaftlich und militärisch«. Am Freitag hatte sich ein Berliner Anwaltskollektiv bereits mit einem Eilantrag an das Berliner Verwaltungsgericht gewendet, um den sofortigen Stopp von Waffenlieferungen an Israel zu erwirken.

Grundlage für die Forderungen des offenen Briefs seien das Bundesbeamtengesetz, die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes aus dem Jahr 1948 sowie die Eilentscheidungen des IGH vom 26. Januar und 28. März, so eine Quelle, die in einem Bundesministerium arbeitet, am Montag gegenüber jW. Als Bundesbeschäftigte seien sie den »Fundamentalprinzipien des Grundgesetzes verpflichtet«, die aktuelle Politik der Regierung mit diesen aber nicht vereinbar. Mit dem »Schlagwort der Staatsräson« werde die »eigenen Politik gerechtfertigt«, was die »bedingungslose Unterstützung eines Unrechtsstaates« zur Folge habe.

Nachdem interne Kritik an der offiziellen Positionierung der BRD mehrfach im Sande verlaufen sei, habe man sich für einen offenen Brief entschieden, so eine in leitender Position in einem Bundesministerium beschäftigte Quelle am Montag gegenüber jW. Viele Kollegen würden sich »unwohl« fühlen und seien durch eine »unbeschreibliche Atmosphäre der Angst extrem verunsichert«. In dem »repressiven« Klima, das seit dem 7. Oktober in der BRD herrsche, befürchte man, dass den Unterstützern des Aufrufs nicht nur der Verlust des Arbeitsplatzes drohe, sondern auch eine Kriminalisierung wahrscheinlich sei. Daher habe man sich dazu entschlossen, den Aufruf anonym zu veröffentlichen.

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