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Aus: Ausgabe vom 08.04.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Repression

Von Luxor nach Palästina

Kriminalisierung der Solibewegung in Graz: Extremismusanwalt gut im Geschäft
Von Dieter Reinisch, Wien
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Er hat einen Auftrag: Der Grazer Staatsanwalt Johannes Winklhofer (10.3.2011)

Johannes Winklhofer ist ein eifriger Staatsanwalt. Der 1956 geborene Weststeirer arbeitet seit 1993 in Graz. Zuletzt war er der Ankläger bei der »Operation Luxor«. Unmittelbar nach den dschihadistischen Anschlägen in Wien am 2. November 2020 waren 930 Beamte ausgerückt, um gegen Dutzende angebliche islamistische Terroristen vorzugehen. Ihr Leben wurde auf den Kopf gestellt, allerdings führte der Einsatz zu keiner einzigen Anklage, auch kam keiner der Verdächtigen in Untersuchungshaft. Zahlreichen Menschen wurde jedoch die wirtschaftliche Lebensgrundlage entzogen und eine gesamte Religionsgruppe eingeschüchtert. Für die konservative Regierung und ihren damaligen Innenminister Karl Nehammer war es ein kurzfristiger Propagandacoup, der von eigenem Versagen ablenkte.

Unter Nehammer als Bundeskanzler ist Winklhofer noch immer Staatsanwalt. Er hat ein neues Opfer gefunden: die Palästinasolidaritätsbewegung in der steirischen Hauptstadt Graz. Im März wurden weit über 50 Personen von der Grazer Polizei vorgeladen und in der Polizeiwache an der Karlauerstraße verhört. Der Vorwurf: Sie sollen bei einer der regelmäßig in der Stadt stattfindenden Palästinademonstrationen den Satz: »From the river to the sea, Palestine will be free«, entweder gerufen oder auf einem Schild, Transparent oder anderswo die Parole verwendet haben. Die Demonstrationsteilnehmer wurden anhand der bei den Protesten und Kundgebungen erstellten Polizeiaufnahmen identifiziert.

Roswitha Al-Hussein soll die Parole auf einer Demonstration am 20. Oktober in Graz verwendet haben, junge Welt trifft sie vor einer Polizeiwache, wo sie gerade vernommen wurde: »Ich wurde von der Polizei nach dem Slogan gefragt. In ihren Augen ist es ein Verbrechen, dies auf Demonstrationen zu schreien, und deshalb haben sie mich aufgefordert, zur Polizei zu kommen, um mich zu verhören«, erzählt die Aktivistin der Palästina Solidarität Österreich (PSÖ). Al-Husseins Termin dauerte nicht lange, denn sie verweigerte die Aussage. Weitere Angeklagte berichten jW, ihnen sei bei den Verhören mitgeteilt worden, dass die Verwendung des Begriffs »freies Palästina« ebenfalls eine Straftat darstelle, da der Staatsanwalt hier behaupte, das sei einen Ausdruck des Hasses auf das israelische Regime.

»In Solidarität mit der palästinensischen Befreiungsbewegung rufen die Menschen diesen Slogan auch hier in Graz seit Jahrzehnten auf Demonstrationen. Es war bis zum Herbst 2023 nie ein Problem«, stellt Al-Hussein klar. Doch dann trat Winklhofer auf den Plan, behauptete, mit diesen Worten würde das Existenzrecht Israel geleugnet und daher sei ihre Verwendung strafbar. Seither wird die Solidaritätsbewegung in Graz von ihm kriminalisiert. Für seine Verdienste im Kampf gegen den »Extremismus« wurde Staatsanwalt Johannes Winklhofer übrigens bereits im Oktober 2019 das Goldene Ehrenzeichen der Republik überreicht.

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