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Aus: Ausgabe vom 06.04.2024, Seite 4 (Beilage) / Wochenendbeilage
Bildreportage

Nickel für die Welt

Indonesien setzt auf Batterien für E-Autos und »grüne« Wirtschaft auf Kosten der Gesundheit Zehntausender Arbeiter
Von Garry Lotulung
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Nickelhaltiges Erdreich in einer Abbaustätte im Zentrum Sulawesis (26.10.2023)

Indonesien ist der weltweit größte ­Nickelproduzent und verfügt über rund 22 Prozent der weltweiten Vorkommen. Das Metall ist für die Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge stark nachgefragt. Das weltweite Epizentrum der Nickelproduktion ist auf Sulawesi, wo das chinesische Unternehmen Tsingshan den Indonesia Morowali Industrial Park (IMIP) betreibt. Neben anderen Großbetrieben gibt es Hunderte kleinere, meist in indonesischem Besitz befindliche Minen, die den Regenwald durchziehen.

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Die qualmenden Schornsteine von einem Nickelverarbeitungskomplex in Konawe (28.10.2023)

»Indonesien wird ein führender Hersteller von Produkten auf Nickelbasis werden«, hatte der damalige Präsident Joko Widodo im Juni 2022 angekündigt. Anlass war der erste Spatenstich für eine vom südkoreanischen LG-Konzern geführte Anlage zur Herstellung von Batteriematerial im Batang Integrated Industrial Park in der Provinz Zentraljava. »Dies ist eine einmalige Gelegenheit, eine grüne Wirtschaft für die Zukunft zu entwickeln«, so Widodo.

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Massenandrang auf dem Weg zur Arbeit im Indonesia Morowali Industrial Park (26.10.2023)

Es ist kurz nach Sonnenaufgang im Dorf Labola. Tausende von Arbeitern mit gelben Helmen und staubverschmierter Arbeitskleidung fahren die baufällige, von Schlaglöchern übersäte Hauptstraße entlang. Die Masse des Verkehrs kriecht in Richtung des IMIP. Dort wird in erster Linie Nickelerz für die Herstellung von rostfreiem Stahl verarbeitet, zunehmend aber auch höherwertiges Nickel für Batterien von Elektrofahrzeugen. Die Internationale Energieagentur prognostiziert, dass die weltweite Nachfrage nach dem Metall bis 2030 um mindestens 65 Prozent steigen wird und Elektrofahrzeuge und Batteriespeicher bis 2040 Edelstahl als größtes Endprodukt von Nickel ablösen werden.

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»Grün« und sauber ist hier nichts: Bagger sammeln nickelhaltige Erde in einem Bergbaugebiet im Bezirk Molawe (27.10.2023)

Vor Jahren war Labota ein Fischerdorf; heute ist es zu einer sich ausbreitenden Stadt geworden, in deren Zentrum IMIP steht, ein 15 Milliarden US-Dollar teures Werk mit 50 Fabriken auf einer Fläche von mehr als 3.000 Hektar. Mauern umgeben den Industriekomplex, der Stahlwerke, Kohlekraftwerke und Manganverarbeitungsanlagen umfasst sowie über einen eigenen Flughafen und Seehafen verfügt. Die Zahl der Beschäftigten ist inzwischen auf rund 66.000 angestiegen.

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Dreckiger und ungesunder »Spielplatz«: Kinder nahe dem Fischerdorf Mandido (27.10.2023)

Laut einer Recherche der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) verschmutzen die nickelverarbeitenden Fabriken die Luft, indem sie Schwefeldioxid, Stickoxide und Kohleasche ausstoßen – Partikel, die »feiner als Strandsand sind und beim Einatmen extrem schädlich sein können«. Die Küste Sulawesis trägt die Hauptlast der Umweltzerstörung durch die Minen. Nach Angaben der indonesischen Regierung sind etwa 50 Nickelbergbauunternehmen im Bezirk Nordkonawe im Südosten der Insel tätig. Es gibt drei Fischerdörfer rund um die Abbaugebiete. Das kleine Tapunggaya ist die Heimat der Bajau, die als tapfere Seeleute, fähige Fischer und zuverlässige Taucher bekannt sind und vom Meer leben.

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Aqifah und Mitra schwimmen in dem durch Nickelabbau verschmutzten Wasser nahe dem Dorf Mandido (27.10.2023)

Auch die Fischer haben unter den Auswirkungen der Nickelverschmutzung zu leiden, da sie immer weiter hinaus fahren müssen, um ihren täglichen Fang zu machen. Ein alter Mann erzählt, dass die Verschmutzung ihre Lebensgrundlage auf See zerstört hat. »Hier gibt es keinen Fisch mehr«, sagt er und fügt hinzu: »Auch die Kinder leiden aufgrund der starken Luftverschmutzung unter Atemproblemen, was sehr beunruhigend ist, wenn man in der Nähe von Bergbaustandorten lebt. Die Abfälle und die Verschmutzung durch den Bergbau bringen uns langsam um.«

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