4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 05.04.2024, Seite 15 / Feminismus
Gleichstellung

»Ehe für alle« vor Finale in Thailand

Wegweisendes Gesetz besteht auch in konservativ dominiertem Senat. Ausschuss klärt Detailfragen
Von Thomas Berger
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Der Aktivismus für Gleichstellung hat sich gelohnt: »Bangkok Pride Parade« (29.11.2018)

Thailand ist auf dem Weg, zum weiteren gesellschaftspolitischen Vorreiter in Südostasien zu werden. Noch im Verlaufe dieses Jahres dürfte ein neues Gesetz zur »Ehe für alle« in Kraft treten. Von einem »Meilenstein« war bereits die Rede, als die Abgeordneten am 27. März in einem parteiübergreifenden Konsens der Gesetzesvorlage fast unisono ihre Zustimmung gaben. Auch die bisherige Behandlung des Themas im Senat, der zweiten Parlamentskammer, deutet darauf hin, dass es keine ernsten Hürden mehr für diesen Schritt zur Gleichberechtigung sexueller Minderheiten gibt.

Im 500 Mitglieder zählenden Unterhaus des Parlaments hatten 399 der zur zweiten und dritten Lesung Anwesenden mit Ja gestimmt – bei verschwindend geringen zehn Neinstimmen, drei Enthaltungen und zwei Abgeordneten, die nicht am Votum teilnahmen. Dieses Ergebnis spiegelt einerseits die politische Trendwende bei den Wahlen im Mai 2023 wider, als die besonders reformorientierte Move Forward Party (MFP), nunmehr größte Oppositionskraft, die meisten Stimmen erhalten hatte und die ebenfalls zum liberalen Lager gehörende Pheu Thai (PT) des jetzigen Premiers Srettha Thavisin knapp dahinter auf Rang zwei gelandet war. Sie hatten auch die allermeisten ihrer konservativ ausgerichteten Partner im Regierungsbündnis und auf den Oppositionsbänken überzeugen können.

Dass sich die Zeiten endgültig gewandelt haben, zeigte die erste Lesung des Gesetzes im Senat am Dienstag. Die Parlamentskammer ist klar konservativ dominiert mit von der früheren Putschistenregierung ernannten Mitgliedern aus dem Staatsapparat, insbesondere ranghohen Angehörigen von Militär und Polizei. Aber auch dort gab es in der Abstimmung eine riesige Mehrheit – bei 147 Jastimmen nur eine dagegen und sieben Enthaltungen. Allerdings sehen die Senatoren noch die Notwendigkeit, einige praktische Aspekte, gerade in der möglichen Wechselwirkung mit anderen Gesetzen, näher zu betrachten, womit sich ein nun gebildeter 37köpfiger Sonderausschuss befassen wird. Das finale grüne Licht des Senats könnte dann in der nächsten Sitzung im Juli erfolgen.

»Dies ist der Beginn der Gleichstellung. Es ist kein Allheilmittel für jedes Problem. Dennoch ist es der erste Schritt in Richtung Gleichberechtigung«, erklärte Danuphorn Punnakanta (PT), Vorsitzender des Unterhausausschusses für die Gleichstellung der Ehe, bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs im Parlament. Senator Sanit Mahathavorn, ein Generalleutnant der Polizei, regte an, zum Inkrafttreten des Gesetzes nach der Unterschrift des Königs und der Veröffentlichung in der Royal Gazette auf die übliche 180-Tage-Frist zu verzichten. Eine sofortige Inkraftsetzung würde vielen gleichgeschlechtlichen Paaren, die schon sehnlich auf die offizielle Eintragung ihrer Partnerschaften warteten, unmittelbar die Gelegenheit geben, so Sanit. Er schlug allerdings auch vor, das gesetzliche Heiratsalter auf 20 Jahre anzuheben, um »Probleme wie Kindesmissbrauch und sexuelle Belästigung« zu vermeiden. In welchem Zusammenhang das mit der gleichgeschlechtlichen Ehe stehen soll, wurde nicht ausgeführt.

Neben dem symbolträchtigen Zeichen der Gleichstellung mit hetero­sexuellen Ehepaaren geht es auch um eine Reihe praktischer Alltagsfragen, wie die Bangkok Post bereits in ihrem Artikel zum Votum des Unterhauses aufgelistet hatte. Das fängt mit dem Zugang zu finanziellen Staatshilfen bei medizinischen Behandlungen sowie Information und Mitentscheidung der Partner bei Eingriffen an und geht über Erbrechtsfragen bis zur Adoption von Kindern und dem Recht, die Beisetzung eines verstorbenen Partners zu organisieren.

Allgemein gilt Thailand innerhalb Asiens schon lange als besonders liberal, was die Akzeptanz queerer Menschen betrifft. Das zeigt nicht nur die besonders eindrucksvolle jährliche Pride-Parade in Bangkok. Schon 2015 wurde das Gesetz zur Gleichstellung der Geschlechter erlassen, um rechtliche Garantien gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung zu bieten – mit einschränkenden Bestimmungen, die es erlauben, eine solche aus Gründen der Religion oder der nationalen Sicherheit zu rechtfertigen. Die rechtliche Gleichstellung ist transgeschlechtlichen Personen noch immer verwehrt. Was die gleichgeschlechtliche Ehe betrifft, dürfte das Königreich in Kürze mit Nepal und Taiwan gleichziehen.

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