junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Dienstag, 30. April 2024, Nr. 101
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 05.04.2024, Seite 7 / Ausland
Nahostkonflikt

Verlorene Zeit für Palästina

Nationalbehörde in Ramallah beantragt Vollmitgliedschaft in der UNO. Scheitern vorprogrammiert
Von Knut Mellenthin
imago0442362450h.jpg
Trotz Resolution bisher kein Ende des Krieges: Palästinas UN-Botschafter Riad Mansur im Weltsicherheitsrat (New York, 25.3.2024)

Der zweite Anlauf der Nationalbehörde – englisch abgekürzt PA – in Ramallah, die Aufnahme Palästinas als Vollmitglied der Vereinten Nationen zu erreichen, wird offenbar am Veto der USA scheitern. Das geht aus den ersten Reaktionen von State-Department-Sprecher Matthew Miller und von Robert Wood, dem stellvertretenden US-Botschafter bei der UNO, hervor. Beide verwiesen die PA am Mittwoch auf den Verhandlungsweg mit Israel – wohl wissend, dass der zionistische Staat nicht einmal mit den USA, von denen er theoretisch auf vielen Gebieten abhängig ist, über die Unabhängigkeit Palästinas sprechen will. Für diese absolute Verweigerungshaltung hat sich Premierminister Benjamin Netanjahu im Februar durch eine Abstimmung in der Knesset breite politische und gesellschaftliche Rückendeckung geholt. 99 der 120 Abgeordneten stimmten seinem Antrag zu, nur neun votierten dagegen.

Der palästinensische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Riad Mansur, übergab am Dienstag ein Schreiben an UN-Generalsekretär António Guterres, in dem die PA darum bittet, einen Antrag auf Vollmitgliedschaft, den Präsident Mahmud Abbas im September 2011 gestellt hatte, wiederaufleben zu lassen. Eine Allianz, die aus der Arabischen Liga, dem Dachverband Islamischer Staaten (OIZ) und der Bewegung der Bündnisfreien besteht, hat ebenfalls einen Brief an Guterres gerichtet, in dem sie den palästinensischen Antrag unterstützt.

Die Sache liegt nun beim Sicherheitsrat, der voraussichtlich zunächst einen Prüfungsausschuss bilden wird, in dem alle 15 Mitglieder des Gremiums vertreten sind. Wenn der Antrag schließlich zur Entscheidung in den Sicherheitsrat gelangt, werden mindestens neun Stimmen für eine Weiterleitung an die Vollversammlung benötigt, sofern keines der fünf ständigen Mitglieder – USA, China, Russland, Frankreich und Großbritannien – von seinem Vetorecht Gebrauch macht. In der Vollversammlung schließlich wäre, sofern der Antrag es bis dorthin schaffen würde, eine Zweidrittelmehrheit zu dessen Annahme erforderlich.

Der erste Versuch, den Abbas 2011 gestartet hatte, war daran gescheitert, dass es im Sicherheitsrat nicht das erforderliche Minimum von neun Stimmen für den Antrag gab. Damals stellte sich unter anderem auch Russland gegen die Palästinenser und forderte diese als Bestandteil des seither längst in der Bedeutungslosigkeit versunkenen »Nahostquartetts« zur Fortsetzung der sinnlosen Gespräche mit Israel auf. Das war in den vier verlorenen Jahren, als Dmitri Medwedew russischer Präsident war, dessen Amtszeit von Schwäche und Inkompetenz gekennzeichnet war. Schon damals war offensichtlich, dass Israel vor dem Popanz »Nahostquartett« – die anderen drei Mitglieder waren die USA, die EU und die UNO – nicht den geringsten Respekt hatte, sondern ausschließlich die USA als Verhandlungspartner halbwegs ernst nahm.

Die Vorgeschichte reicht weit zurück. Schon vor mehr als 35 Jahren hatte der PLO-Vorsitzende Jassir Arafat (1929–2004) am 15. November 1988 die Unabhängigkeit Palästinas verkündet. Die UN-Vollversammlung akzeptierte diese einen Monat später mit 104 gegen zwei Stimmen bei ungefähr 40 Enthaltungen. Bis Februar 1989 hatten 93 UN-Mitglieder den Staat Palästina anerkannt, gegenwärtig sollen es 140 sein. Die PLO und namentlich Arafat ließen sich jedoch von den USA und deren Partnern überreden, den Weg der völkerrechtlichen Unabhängigkeit nicht konsequent weiterzuverfolgen, sondern zugunsten des »Oslo-Friedensprozesses« jahrelang zu begraben. Die staatliche Unabhängigkeit gehört demnach zu den »Final Status«-Themen, bei denen Israel praktisch ein Vetorecht hat. Eine der Folgen war, dass die PA nach der Unabhängigkeitserklärung 23 Jahre wartete, bevor sie erstmals die Vollmitgliedschaft in der UNO beantragte. Auf die Bildung einer Exilregierung als Grundvoraussetzung einer von der Besatzungsmacht unabhängigen Politik verzichtet die PA immer noch.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

Ähnliche:

  • Angesichts der handfesten und sehr konkreten außenpolitischen In...
    02.05.2023

    Allenthalben Doppelmoral

    Dokumentiert. Der aktuelle Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik lobt deren »Werteorientierung«. Bei näherem Hinsehen bleibt davon nicht viel
  • Das UNRWA muss aufgrund fehlender Mittel Stellen abbauen
    03.09.2018

    Finanzkrieg gegen Palästina

    US-Präsident Trump lässt letzte Zahlungen an UN-Hilfswerk streichen. Jubel in Israel, Entsetzen in Gaza und Ramallah
  • Moskau delegierte die Waffenlieferungen für Israel an die Regier...
    14.05.2018

    Mit Unterstützung Moskaus

    Vor 70 Jahren wurde Israel gegründet. Die Sowjetunion erkannte den Staat als erste de jure an und half anfangs mit Waffen