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Aus: Ausgabe vom 05.04.2024, Seite 5 / Inland
Landwirtschaftspolitik

Landnahme durch Biomulti

Sachsen: CDU blockiert Agrarstrukturgesetz – Grüne sehen Koalitionsbruch. Bauernverband AbL kürt »Landgrabber des Jahres« Dennree
Von Oliver Rast
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Ringen um Fläche: Grün- und Ackerland lukrativ für außerlandwirtschaftliche Investoren

Wer wird nicht gerne ausgezeichnet. Aber nicht jede Ehrung dürfte den Geehrten erfreuen; schon gar nicht Firmenbosse, deren Geschäftspraxis angeprangert wird. Wie im Fall von Dennree, dem größten deutschen Lebensmitteleinzelhändler im Biosektor, bekannt durch seine Supermarktkette »Denns«.

Dennree erhält den Preis »Landgrabber des Jahres 2024«. Ein Titel, den die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Mitteldeutschland am Samstag verleihen wird, symbolisch vor einer Denns-Biomarkt-Filiale in Dresden. Eine »Preisübergabe mit Traktoren, Bannern und Strohballen«, ergänzte Anna Neuber, regionale AbL-Geschäftsführerin, am Donnerstag gegenüber jW.

Warum Dennree? Der Biomulti hatte den Preisverleihern zufolge 2015 die »Agrofarm 2000«, das spätere »Hofgut Eichigt«, mit 4.900 Hektar Grün- und Ackerland erworben. Dieser Betrieb fusionierte zu Beginn des Jahres mit der benachbarten Agrargenossenschaft Großzöbern. Nun hat der betriebliche Zusammenschluss 6.000 Hektar. Eine Größe, die die verbleibenden Höfe im sächsischen Vogtland gefährde, so Neuber weiter. Denn: Pachtland fällt in die Hände eines kapitalstarken außerlandwirtschaftlichen Bigplayers. Kleine, teils familiengeführte Betriebe können da nicht mithalten, zumal Höchstbieter den Zuschlag bekommen. Und: Typisch für Dennree ist die Konzentration von Land, Produktion, Verarbeitung und Vertrieb im Ökosektor der Agrarwirtschaft. Eine jW-Anfrage ließ der Biorundumversorger am Donnerstag bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Nur, der Aufkauf der Ländereien durch Investor Dennree hätte verhindert werden können – wäre das Landesagrarstrukturgesetz bereits in Kraft. Dort ist etwa eine Flächenkonzentrationsgrenze von 2.500 Hektar fixiert. Das Problem: Die CDU-Fraktion im sächsischen Landtag blockiert das Gesetz seiner Mitkoalitionäre von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Und begeht damit faktisch Koaltitionsbruch, so der »grüne« agrarpolitische Fraktionssprecher Volkmar Zschocke am Donnerstag im jW-Gespräch. Unverständlich, zumal Einwände des konservativen Regierungspartners, von Ministerien und Landwirteorganisationen berücksichtigt worden seien. Der vorliegende Entwurf sei ein hart erarbeiteter Kompromissvorschlag, »moderat«, kein radikaler Eingriff in den Bodenmarkt. Und schließlich gebe es einen Bestandsschutz für Agrarbetriebe, ganz gleich, in welcher Größe.

Das sehen wichtige berufsständische Akteure anders, der Sächsische Landesbauernverband (SLB), die Vereinigung »Land schafft Verbindung« (LSV) oder der Genossenschaftsverband; sie opponieren gegen die Gesetzesinitiative. Weshalb? Nicht nur, aber auch wegen der Zeitschiene samt Informationspolitik seitens des Sächsischen Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (SMEKUL), sagte Diana Henke am Donnerstag zu jW. Anfangs seien die Verbände lediglich »informativ und diskussionslos über einzelne Eckpunkte des Gesetzesvorhabens in Kenntnis gesetzt worden«, kritisiert die Leiterin des PR-Referats des SLB. Gravierender sei indes, dass mit dem vorliegenden Gesetz in bestehende Betriebsstrukturen und Eigentumsverhältnisse eingewirkt würde. Vor allem sei die Obergrenze von 2.500 Hektar willkürlich – Henke: »Wir sind doch nicht mehr in einer Planwirtschaft.«

Ein »Zurück« will der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Christian Hartmann, gleichfalls nicht – kurz und bündig ließ der Christdemokrat jW mitteilen: »Wir werden jedenfalls kein Gesetz gegen die Mehrheit der Bauernverbände machen.« Aber was bedeutet das für den Fortbestand der Koalition in Sachsen? So wenige Monate vor den Neuwahlen am 1. September? Unklar. Nach Informationen dieser Zeitung hatte sich in der vergangenen Woche der Koalitionsausschuss zum »Politikum Agrarstrukturgesetz« getroffen. Die Fronten blieben demnach verhärtet. In der kommenden Woche soll es eine erneute Zusammenkunft von Vertretern der Bauernorganisationen, Fraktionen und Ministerien geben. Am 18. April tagt der Agrarausschuss im Landtag. Eigentlich zur Beschlussempfehlung für den Gesetzentwurf, der dann auf der Landtagssitzung im Mai verabschiedet werden soll. Eigentlich.

Das Gesetz müsse kommen, jetzt, betonte Neuber von der AbL. Falls nicht, würden weiter »Landgrabber des Jahres« prämiert – wie Dennree.

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  • Leserbrief von Heiko Baumann aus Gera (9. April 2024 um 15:07 Uhr)
    Ich kann nicht nachvollziehen, was daran zu kritisieren ist, wenn sich ein Biobetrieb vergrößert. Die Haltungsbedingungen zum Beispiel für die Kühe im Hofgut Eichigt sind vorbildlich und die Felder werden biologisch bewirtschaftet. Ist ein kleinerer Betrieb per se besser, auch wenn dort zum Beispiel Kühe zeitlebens nur im Stall stehen und niemals eine Weide sehen und die Felder regelmäßig mit »Pflanzenschutzmitteln« behandelt werden? Es fehlt nur noch der schon geäußerte Vorwurf, dass durch die Betriebsgröße preisgünstig produziert werden kann. Wo kämen wir auch hin, wenn Biolebensmittel für alle erschwinglich wären?

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