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Aus: Ausgabe vom 05.04.2024, Seite 2 / Inland
Repression gegen Alternativmedien

»Auch hier muss Pressefreiheit verteidigt werden«

Journalist soll wegen Verlinkung in Artikel für Radio Dreyeckland ab Mitte April vor Gericht stehen. Ein Gespräch mit David Werdermann
Interview: Silke Makowski
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Sitz des Studios von Radio Dreyeckland in Freiburg (6.9.2009)

Wegen seiner journalistischen Tätigkeit soll sich ab dem 16. April ein Medienvertreter vor dem Landgericht Karlsruhe verantworten. Aktuell sind mindestens sechs Verhandlungstage angesetzt. Was genau wird dem Reporter vorgeworfen?

Fabian K. wird vorgeworfen, im Juli 2022 einen Artikel auf der Internetseite von Radio Dreyeckland, einem freien Radio aus Freiburg, veröffentlicht zu haben. Der Artikel befasste sich damit, dass die Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Betreiberinnen und Betreiber der verbotenen Plattform »linksunten.indymedia« eingestellt wurden. Am Ende des Artikels befand sich eine Verlinkung auf das Archiv der Internetseite. So konnten sich die Leserinnen und Leser selbst ein Bild von den Inhalten machen. Die Staatsanwaltschaft sieht darin jedoch eine strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung.

Bereits das Verbot der Onlineplattform »linksunten.indymedia« im August 2017 warf Fragen auf. Handelt es sich dabei um einen Eingriff in die Pressefreiheit?

Ja, auf »linksunten.indymedia« wurden viele Beiträge mit journalistischem Charakter veröffentlicht. Damit fiel die Plattform unter die Pressefreiheit. Für die Aufsicht war tatsächlich die Landesmedienanstalt zuständig, die gegebenenfalls gegen konkrete rechtswidrige Inhalte vorgehen konnte. Das ist aber nie passiert. Statt dessen hat das Bundesinnenministerium auf ein seltsames Konstrukt zurückgegriffen. Es hat die Vereinigung verboten, die angeblich die Plattform betrieben hat. Das ist ein Missbrauch des Vereinsrechts. Denn das Vereinsgesetz ist nicht für Verlage und andere Medienorganisationen gemacht. Zudem war das Verbot unverhältnismäßig, weil nicht gezielt gegen rechtswidrige Inhalte vorgegangen wurde, sondern die gesamte Plattform abgeschaltet wurde.

Beim jetzigen Verfahren gegen Fabian K. war es bereits am 17. Januar 2023 zu Hausdurchsuchungen gekommen, unter anderem in den Räumen des Radiosenders. War das rechtmäßig?

Die Durchsuchungen waren klar rechtswidrig. Das folgt schon daraus, dass in Wirklichkeit kein Anfangsverdacht gegen Fabian K. vorlag. Die Verlinkung einer Internetseite im Rahmen der Berichterstattung ist von der Pressefreiheit geschützt und darf nicht als Unterstützung einer verbotenen Vereinigung gewertet werden. Darüber hinaus waren die Maßnahmen unverhältnismäßig. Sie greifen schwerwiegend in den Quellenschutz und das Redaktionsgeheimnis ein. Wie sollen sich Informantinnen und Informanten vertrauensvoll an Medien wenden, wenn sie damit rechnen müssen, dass die Informationen im Rahmen von Durchsuchungen an Polizei und Staatsanwaltschaft gelangen? Zudem hat Fabian K. nie einen Hehl daraus gemacht, dass er den Artikel verfasst hat. Die Durchsuchungen waren also gar nicht erforderlich.

Welche Entwicklung ist im bevorstehenden Prozess zu erwarten?

Es wird wahrscheinlich vor allem um die Frage gehen, ob die verbotene Vereinigung »linksunten.indymedia« überhaupt noch existiert. Denn die Onlineplattform wurde nach dem Verbot 2017 abgeschaltet. Es existiert nur noch ein statisches Archiv, das dokumentarischen Charakter hat. In der Verhandlung wird es auch darum gehen, ob dieselben Personen dahinterstehen. Darauf kommt es aber im Grunde gar nicht an. Selbst wenn das Archiv von derselben Vereinigung erstellt worden wäre, wäre eine Verlinkung keine strafbare Unterstützung.

Wie bewerten Sie diesen Eingriff in die Arbeit des Radiojournalisten?

Das Verfahren zeigt, dass auch in Deutschland die Pressefreiheit immer wieder verteidigt werden muss. Es reiht sich ein in eine Liste von anderen Fällen, in denen Medien Überwachung oder Sanktionen zu befürchten haben. Zu nennen ist etwa die Überwachung des Pressetelefons der »Letzten Generation« oder der Paragraph, nach dem sich Journalistinnen und Journalisten strafbar machen, wenn sie im Wortlaut aus Dokumenten aus einem laufenden Strafverfahren zitieren. Auch gegen diese unverhältnismäßigen Einschränkungen der Pressefreiheit gehen wir als Gesellschaft für Freiheitsrechte vor Gericht vor.

David Werdermann ist Jurist und Verfahrenskoordinator bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) e. V.

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