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Aus: Ausgabe vom 05.04.2024, Seite 4 / Inland
Warnungen vor Russlands Einfluss

Aufregung um »Agent Bystron«

Justiz startet Vorermittlungen gegen AfD-Abgeordneten wegen »Desinformation« im Auftrag Russlands
Von Marc Bebenroth
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Petr Bystron im Bundestag (Berlin, 19.10.2023)

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron ist auf dem Weg, zum Fallbeispiel für die beschworene Bedrohung durch russische »Desinformation« zu werden. Diese »ziele darauf ab, Demokratien in Europa von innen auszuhöhlen und zu untergraben«, erläuterte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) am Donnerstag in Brüssel. Anlass sind Berichte um mutmaßliche Geldzahlungen an rechte Politiker. Diese nahm die Generalstaatsanwaltschaft München offiziell zum Anlass, ein »Vorermittlungsverfahren« einzuleiten.

Daraus lasse sich aber nicht auf einen Anfangsverdacht schließen, wie die Behörde am Donnerstag betonte. Bystron, der für die Rechtsaußenfraktion im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags sitzt, soll im Auftrag eines angeblich aus Russland gesteuerten Netzwerks Propaganda verbreitet haben und dafür bezahlt worden sein. Bystron bestreitet auch gegenüber seiner eigenen Parteiführung die Vorwürfe. Er habe »zu keinem Zeitpunkt« von einem Mitarbeiter des im Verdacht stehenden Portals »Voice of Europe« oder »irgendeinem Russen« Geld »oder Kryptowährungen bekommen«, zitierte die Welt am Donnerstag aus einer Stellungnahme Bystrons.

Bei »Voice of Europe« handelt es sich um ein Nachrichtenportal, das überwiegend Berichte westlicher Medien wiedergibt. Die politische Ausrichtung wird deutlich anhand von Interviews mit rechten Politikern, zum Beispiel des französischen Rassemblement National, sowie anhand einer am 1. April auf X veröffentlichten Stellungnahme. Darin wird wiederholt über eine angebliche Verschwörung sogenannter Globalisten geklagt. Diese Chiffre dient Faschisten und der neuen Rechten als Erkennungszeichen.

Neben der Justiz befasst sich auch die AfD-Spitze mit dem Fall Bystron. »In den kommenden Tagen« werden sich der Bundes- und der Fraktionsvorstand »darüber austauschen«, teilte ein Sprecher gegenüber AFP mit. Am Montag soll offenbar auf höchster Ebene mit dem zweiten Spitzenkandidaten der rechten Partei für die EU-Wahl gesprochen werden. Bis die Sache geklärt sei, solle Bystron auf Wahlkampfauftritte verzichten, sagte AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah gegenüber Welt.

Die Vorwürfe gegen Bystron – und andere rechte Politiker wie den niederländischen Abgeordneten Thierry Baudet – stützen sich auf Geheimdienstbehauptungen. Doch zumindest der tschechische Inlandsgeheimdienst BIS hat nicht vor, Audioaufnahmen im Fall um jenes russische Netzwerk hinter »Voice of Europe« zu veröffentlichen, die mutmaßlich Geldzahlungen an den AfD-Politiker durch russische Stellen belegen. Aber: Dienste der BRD hätten »vergleichsweise umfangreiche Informationen«, teilte ein Sprecher am Donnerstag in Prag gegenüber dpa mit.

Zuvor hatte der Spiegel am 28. März berichtet, dass »insgesamt mehrere hunderttausend Euro an Politiker in sechs EU-Staaten geflossen sein« sollen. Laut gemeinsamen Recherchen mit der tschechischen Tageszeitung Deník N sei in Prag Geld bar übergeben oder per Kryptowährung transferiert worden. An der Aufdeckung jenes Netzwerks seien ein halbes Dutzend europäischer Geheimdienste beteiligt, darunter das Bundesamt für Verfassungsschutz.

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  • Leserbrief von Peter Groß aus Bodenseekreis (7. April 2024 um 17:03 Uhr)
    Es ist kurios. Kein Plappermaul großbürgerlicher Medien hat den Hauch einer Vermutung geäußert wie Russland die Europäische Union militärisch unterwerfen kann. »Die Europäische Union (EU) ist ein Staatenverbund aus 27 Staaten, davon 26 in Europa sowie die Republik Zypern. Zur EU gehören geographisch außerdem einige Überseegebiete außerhalb Europas. Sie hat insgesamt etwa 450 Millionen Einwohner. Die verbreitetsten Sprachen in der EU sind Englisch (Amerikanisch), Deutsch, und Französisch«. (Wikipedia). Klar, auch Spanisch, Portugiesisch. Die Sprachenvielfalt, eingeschlossen Dialekte, in der EU bedürfen Übersetzungsdienste. Europäer als Besetzte und Russen müssten sprachlos nebeneinander leben, betrachten wir die Leistung der deutschen Bildungsindustrie »unseren« Geflüchteten die deutsche Sprache näherzubringen. Damit die EU nur annähernd gleiche Lebensbedingung bietet, müssten Mindestlöhne angeglichen, Sprachbarrieren abgebaut und gleiche Tarife gelten. Wer Arbeitnehmer in EU-Ländern als Sklaven ausbeutet hat den moralischen Anspruch verwirkt. Mindestlohn in Luxemburg 14,86 Euro, in Bulgarien 2,85 Euro, Rumänien 3,99 Euro. Wer die Kämpfe zwischen autonomen Regionen betrachtet, also Spanien/Katalonien oder Baskenland/Spanien sieht viele Freiheitsmängel. Es wäre höchste Zeit für die selbsternannten Denkfabriken ihre wissenschaftliche Kompetenz, sofern vorhanden, für verständliche Expertise zu nutzen, wie dieses Wunder der Eroberung Europas vonstatten gehen soll? Dazu fehlen Wille und Wissen. Es bleibt bei Angstmacherei, dem dummen Gelaber Besserverdienender in Politik, ARD, ZDF, den sogenannten meinungsbildenden Medien: Bild, Zeit, Süddeutsche usw., die in diesem Punkt versagen. Die beschworene Bedrohung über russische »Desinformation« ist angesichts eigener Berichte über zu hohe Mieten, hungernde Kinder, arme Alte von Mietervereinen, Arche, Tafeln und Sozialverbände keine Desinformation. Den Menschen Russe kennenlernen geht mit Kaminer besser als mit Pistolius.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (5. April 2024 um 11:47 Uhr)
    Bemerkenswert ist an diesem Fall nicht nur die Vorverurteilung durch Medien und Politik, sondern auch die damit einhergehende moralische Entrüstung und die geschürte Hysterie über »russische Desinformation«. Dabei kann doch jeder, der über die Jahre regelmäßig die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) und der großen Tageszeitungen verfolgt hat, einzig auf Basis der darüber erlangten Informationen von alleine darauf kommen, dass deren Arbeitsweise zunehmend widersprüchlicher und verlogener ist und von den Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen und politischer Akteure bestimmt wird, die ihrerseits Desinformation betreiben. Dass dieselben Akteure die Schimäre der »russischen Desinformation« beschwören müssen, um damit (jedwede) öffentlich geäußerten Meinungen und Informationen moralisch und rechtlich zu diskreditieren, die der eigenen Sichtweise und Agenda zuwiderlaufen, zeigt m. E. zweierlei. Zum einen eine argumentative Hilflosigkeit und zum anderen eine daraus folgende Bereitschaft, die so oft beschworene Meinungsfreiheit und den demokratischen Diskurs zu unterdrücken, sobald diese eigenen Interessen entgegenstehen. Ein besonders ironischer Aspekt dieses Falles ist, dass es ausgerechnet ein tschechischer Geheimdienst ist, der hier öffentlichkeitswirksam vor einer politischen Beeinflussung der EU durch eine russische Informationsplattform warnt. Dabei hat die von der US-Regierung finanzierte Propagandaplattform »Radio Free Europe/Radio Liberty«, deren selbsterklärtes eigenes Ziel die Beeinflussung öffentlicher Meinung im Ausland ist (zugunsten der US-Regierung), ihren Hauptsitz in Prag!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (4. April 2024 um 19:57 Uhr)
    Interessant wäre in diesem Zusammenhang eigentlich auch, welche »unterstützenden Mittel« über welche Kanäle an welche deutschen Politiker anderer Parteien geflossen sind, um die deutsche Politik langfristig mit den Interessen der USA »abzugleichen«. Das entstehende Vasallentum deutscher Politiker hat natürlich in diesem Zusammenhang nie (ich betone: nie!!!) etwas mit gut geplanter und strategisch angelegter Manipulation künftiger Mandatsträger zu tun. Schon in der Bibel findet sich das berühmte Gleichnis von denen, die öffentlich Wasser predigen und heimlich Wein trinken. Wer hätte gedacht, dass die Wurzeln unserer »europäischen Werte« so weit in die Vergangenheit zurückreichen?

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