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Aus: Ausgabe vom 04.04.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Zulieferindustrie

Zulieferbeschäftigte haben das Nachsehen

An Automobilindustrie gebundene Zulieferer tragen Risiken und Folgen der Transformation zum E-Auto
Von David Maiwald
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Die Komponentenfertigung steht vor einem großen Umbau – für viele Beschäftigte bedeutet das Jobverlust

Für die Autoindustrie war das Jahr 2023 wie für ihre Zulieferer einträglich. Eine Studie der Prüfgesellschaft Ernst & Young (EY) ermittelte für den Zeitraum erneut in beiden Branchen deutliche Umsatzsteigerungen, die für die Automobilkonzerne ungleich höher ausfielen, als für die an sie gebundenen Komponentenhersteller. Einen Rekordumsatz von 588 Milliarden Euro habe die Automobilbranche insgesamt im vergangenen Jahr umgesetzt. Für die Zulieferer ist dennoch Krisenstimmung angesagt. Demnach lag das Wachstum dort rund zwei Prozent unter dem der Autokonzerne. Mit Blick auf die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre zeichne sich ein noch deutlicheres Bild, erklärte EY in der Studie. Stieg der Umsatz der Zulieferer in der Bundesrepublik um 25 Prozent, seien »die Hersteller mehr als doppelt so stark – um 59 Prozent« gewachsen.

Allerdings hätten Inflation und erhöhte Material- und Einkaufspreise der Branche geringere Gewinnspannen ermöglicht, hatte EY am Dienstag mitgeteilt. Vor allem für die Zulieferer werde dadurch »die Luft immer dünner«. Bei den gleichbleibenden Zielen der EU, ab 2035 keine neuen Verbrennermotoren im Staatenbündnis zuzulassen, ständen viele Betriebe »mit dem Rücken zur Wand«. Während die E-Auto-Sparten der Autokonzerne aber bislang »bei weitem nicht« den erhofften Absatz erzielten, seien die Zulieferer dennoch gezwungen, »massiv« in neue Technologien zu investieren.

Die Autokonzerne tun dies – besonders in den USA. Dort zeigt der von US-Präsident Biden im Jahr 2022 auf den Weg gebrachte Inflation Reduction Act mittlerweile deutliche Wirkung, bemerkte das Handelsblatt am Mittwoch. Das Subventionsprogramm ziehe insbesondere durch Steuererleichterungen und Kaufprämien mittlerweile milliardenschwere Investitionen der BRD-Autokonzerne an. Demnach arbeite BMW am Aufbau von Elektroauto- und Batteriezellproduktion, während Volkswagen für ein neues Pick-up-Werk insgesamt zwei Milliarden US-Dollar an Kapital in die Vereinigten Staaten fließen lässt. Neben den für Unternehmen deutlich günstigeren Energiepreisen – ein Gaspreis »bei einem Achtel des europäischen Durchschnittspreises« – legten manche US-Bundesstaaten noch zusätzliche Förderprogramme auf, so das Handelsblatt. VW profitiere in South Carolina »von Anreizen in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar, das sind über 60 Prozent der Investitionssumme«.

In der BRD weisen die Zeichen dagegen auf Stellenabbau. Während beim Scheinwerferproduzenten Automotive Lighting im thüringischen Brotterode-Trusetal in der vergangenen Woche für immer die Werkstore schlossen, kündigen sich auch bei anderen Komponentenherstellern Produktionseinstellungen und Stellenstreichungen an. Nachdem der Betriebsrat von Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen im Januar vor massenhaften Stellenstreichungen gewarnt hatte, kündigte der Antriebstechnikhersteller Kostensenkungen mit einem Volumen von sechs Milliarden Euro an. Mitte März hatte die IG Metall für die Beschäftigten des Ford-Werks im Saarländischen Saarlouis nach vier Tagen Streik eine Einigung zu Sozialtarifverträgen für Abfindungsbeträge, Transfergesellschaften und Übergangsregelungen für ältere Beschäftigte erzielt. Das Ende der Ford-Produktion im November 2025 steht fest.

Das Prüfunternehmen Deloitte erklärte zu ihrem Ende März veröffentlichten »Restrukturierungsbericht« für 2023 und 2024, »vor allem Zulieferer« befänden sich »inmitten grundlegender Branchentransformationsprozesse, die voraussichtlich nicht alle Marktteilnehmer überstehen werden«. Die Kosten der Transformation zum E-Automobil werde »zu großen Teilen durch die Zulieferindustrie getragen«. Vor allem »mittlere und kleine Zulieferer« hätten in den vergangenen Jahren eine »rückläufige Profitabilität« verzeichnet, bemerkten die Wirtschaftsprüfer in einem weiteren Artikel: »Die Bilanzen sind nachhaltig geschwächt, und viele Zulieferer haben kaum genug finanzielle Rücklagen, um die zukünftigen Herausforderungen der Transformation meistern zu können.« Die Folgen tragen die Beschäftigten – nicht nur in Brotterode-Trusetal.

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