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Aus: Ausgabe vom 04.04.2024, Seite 6 / Ausland
»Havanna-Syndrom«

Kuba sieht gezielte Kampagne

»Havanna-Syndrom«: Diplomatin zieht Verbindung zu US-Wahlkampf und verschärften Sanktionen
Von Volker Hermsdorf
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Der Ort des »Verbrechens«: Die US-Botschaft in Kubas Hauptstadt Havanna (3.10.2017)

Das US-Außenministerium hat Berichte der CBS-Sendung »60 Minutes«, des Spiegels und anderer Medien relativiert, nach denen Russland hinter rätselhaften Erkrankungen bei US-Diplomaten stecken soll. Man wolle sie weder bestätigen noch kommentieren, erklärte das State Department und verwies auf umfangreiche Untersuchungen des US-Geheimdienstausschusses. Der hatte es in einem Bericht vom März 2023 als unwahrscheinlich bezeichnet, dass ein ausländischer Gegner für das sogenannte Havanna-Syndrom verantwortlich sei. An dieser Einschätzung halte man fest, hieß es. Dessen ungeachtet sieht Havanna in den zeitgleich publizierten Medienberichten eine »Propagandaoperation«, die sich im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen vor allem gegen Kuba und Russland richte.

Am Montag hatten CBS, Spiegel und das in Lettland erscheinende russischsprachige Portal The Insider behauptet, dass hinter dem »Havanna-Syndrom« womöglich doch Angriffe des russischen Geheimdienstes GRU stecken könnten. Auch wenn Kuba in diesen Berichten nicht als Hauptakteur angeprangert worden sei, werde die Inselrepublik als ein Ort dargestellt, der ausländischen Mächten als Basis für Handlungen gegen die USA diene. Die Anschuldigungen seien »besorgniserregend«, erklärte die stellvertretende Direktorin des kubanischen Außenministeriums für die Vereinigten Staaten, Johana Tablada, am Dienstag gegenüber der US-Nachrichtenagentur AP. Damit werde versucht, »alte Verschwörungstheorien wiederzubeleben« und »Kuba als Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA darzustellen«, um die US-Sanktionen zu rechtfertigen. Die Diplomatin verwies darauf, dass erste Berichte über gesundheit­liche Beschwerden von US-Botschaftsmitarbeitern in Havanna aus dem Jahr 2016 der Regierung von Donald Trump (2017–2021) als Vorwand gedient hatten, um die Blockade zu verschärfen und Kuba in die US-Liste von Ländern aufzunehmen, die angeblich den Terrorismus unterstützen. Diese Maßnahmen wurden unter der Regierung von Joseph Biden bislang nicht rückgängig gemacht.

Auch der Direktor des kubanischen Zentrums für Neurowissenschaften, Mitchell Valdés-Sosa, der sich seit Jahren mit der Erforschung der ungeklärten Symptome bei US-Diplomaten befasst, sieht die Behauptungen kritisch. Valdés-Sosa verwies auf mindestens fünf Untersuchungen von führenden US-Forschungszentren und Agenturen im vergangenen Jahr, die die Urheberschaft geheimnisvoller Waffen allesamt verneint hatten. Auch die aktuellen Berichte westlicher Medien lieferten keine ernstzunehmenden Anhaltspunkte und aus wissenschaftlicher Sicht keine Grundlage dafür. »Jedes Mal, wenn die Geschichte zu sterben beginnt, wird eine Show abgezogen«, so der Wissenschaftler gegenüber AP. Dieses Mal hätten die Unterstellungen jedoch alles überschattet, was bisher über die mysteriösen Gesundheitsvorfälle behauptet worden sei. Laut Tablada sollte »nach den wahren Interessen hinter dieser Inszenierung«, gefragt werden. »Wer ist daran interessiert, falsche Anschuldigungen in einem Wahljahr wieder aufleben zu lassen?« fragt die Diplomatin. »Das ›Havanna-Syndrom‹ ist in Wirklichkeit ein ›Washington-Syndrom‹«, kommentierte die kubanische KP-Zeitung Granma am Dienstag.

In der US-Hauptstadt gab es indes unterschiedliche Reaktionen auf die angeblichen Enthüllungen. »Die neuen Informationen legen nahe, dass Russlands Militärgeheimdienst dafür verantwortlich ist, sie beweisen es jedoch nicht«, schrieb die Washington Post. Auch das US-Außenministerium blieb vorsichtig. Die Geheimdienste würden neue Informationen auswerten, wenn es solche gebe, hieß es dort. Das Pentagon nutzte die CBS-Sendung dagegen für den subtilen Hinweis darauf, dass bei einem US-Vertreter während des NATO-Gipfels im litauischen Vilnius im vergangenen Jahr ähnliche Beschwerden aufgetreten seien. »Ich kann bestätigen, dass ein hochrangiger Beamter des Verteidigungsministeriums Symptome hatte, die denen ähneln, die bei den ungewöhnlichen Gesundheitsvorfällen gemeldet wurden«, erklärte Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh.

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