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Aus: Ausgabe vom 03.04.2024, Seite 2 / Ausland
Ukrainekrieg

Wieder Raffinerie getroffen

Ukrainische Angriffe erneut weit in russischem Hinterland
Von Reinhard Lauterbach
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Zerstörtes Gebäude in Jelabuga, Tatarstan – rund 1.000 Kilometer östlich von Moskau (2.4.2024)

Die Ukraine hat erneut eine Raffinerie weit im russischen Hinterland angegriffen. Ziel war diesmal ein Betrieb des Ölkonzerns Tatneft in Jelabuga etwa 1.000 Kilometer östlich von Moskau. Nach Angaben aus Kiew wurde eine Anlage getroffen, die etwa die Hälfte der konzerneigenen Tagesproduktion gewährleistet, und bei einem zweiten Angriff eine Containersiedlung im Umfeld einer russischen Drohnenfabrik in der Stadt Alabuga. Dort sollen nach russischen Angaben vom Dienstag sechs Menschen verletzt worden sein; der »technologische Prozess« sei aber nicht unterbrochen worden.

Ein gleichentags gesendeter Bericht des US-Fernsehsenders CNN unterstellt eine Verwicklung westlicher Geheimdienste und Militärs in diese Angriffe. Darin hieß es, die neue Generation ukrainischer Drohnen arbeite bereits mit »künstlicher Intelligenz«, und die Ziele wählte die Ukraine »gemeinsam mit ihren Verbündeten«. Zuvor hatte die US-Regierung versucht, sich von den Angriffen auf die russischen Raffinerien zu distanzieren und durchsickern zu lassen, man habe Kiew aufgefordert, sie mit Blick auf ihre möglichen Auswirkungen auf den Ölpreis nicht fortzusetzen.

An der Front gab es keine größeren Veränderungen, westliche Militärbeobachter bestätigten allerdings einen langsamen russischen Vormarsch westlich von Awdijiwka und Bachmut. Nach der Eroberung mehrerer Dörfer stehe Russland inzwischen »kurz vor dem Durchbruch in die operative Tiefe«, schrieb der Bild-Korrespondent Julian Röpcke in einem seiner Postings.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij und sein Außenminister Dmitro Kuleba wandten sich unterdessen per Video an die Teilnehmer einer Konferenz am Sitz des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag. Sie forderten, russische Kriegsverbrecher auch im Westen juristisch zu verfolgen und russisches Eigentum zur Entschädigung der Ukraine heranzuziehen. Mehrere westliche Staaten, darunter die BRD, halten dies aber für problematisch, weil Moskau darauf mit Gegenenteignungen westlichen Vermögens in Russland reagieren könnte. Außerdem will die BRD das Prinzip der »Staatenimmunität«, das russisches Staatsvermögen schützt, nicht angetastet sehen. Unter Berufung auf diesen Grundsatz hatte Deutschland seit Jahrzehnten Entschädigungen für Nazikriegsverbrechen in Italien und Griechenland vermeiden können.

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  • Leserbrief von Peter Groß aus Bodenseekreis (3. April 2024 um 13:22 Uhr)
    Den Begriff Putativnotwehr kennen außerparlamentarische Frauen und Männer seit der Ermordung des Studenten Benno Ohnesorg (02. Juni 1967). Irgendwie machte eine alte Garde von Nazijuristen dem Volk begreifbar, dass der Todesschuss gegen den Pazifisten gerechtfertigt war. Später entwickelten Adolfs Erben eine verschärfte Variante: Der Putativnotwehrexzess (gehört zum Prüfungswissen deutscher Juristen): »Ein Putativnotwehrexzess ist hingegen dann gegeben, wenn jemand sich irrtümlich einen rechtswidrigen Angriff vorstellt und dabei aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken mit seiner ›Abwehrhandlung‹ die Grenzen der erforderlichen Verteidigung überschreitet, die ihm bei bestehender Notwehrlage erlaubt gewesen wäre.« Ist das Putins Standpunkt? Ich bin sicher, damit kennt sich Frau Mohamed-Ali nicht aus, sonst würde sie, statt ständig die ewige Putin-Russenschuld zu chanten, einmal beherzt für Verwirrung bei Talkshow Damenrunden sorgen. Mit dem Argument: Es geht bei dem Krieg um einen Notwehrexzess. Bekannt ist, dass LEGION: Hacking Anonymus in Episode 2 (rbb, NDR) enthüllt, wie US-Anonymous Russland den Krieg erklärt und beispielsweise Industrieanlagen in Russland hackt. Seinerzeit hatte das FBI zahllose Anons verhaftet und vermutlich »umgedreht«. Gorbatschow lieferte im guten Glauben die DDR an Westkapitalisten aus. Putin fürchtete möglicherweise angesichts von Inflation und zunehmender Verarmung der russischen Bevölkerung die Übernahme des Vielvölkerstaats durch die alten Kolonialmächte Amerika, England, Frankreich und Nazideutschland (Arbeitgeberpräsident Schleyer war bekannt für diese Nachkriegsplanung). Anteilsscheine aus Volkes Hand gelangten mehrheitlich an russische statt amerikanische Oligarchen. Die Wirtschaft erholte sich unter Putin, die Regale füllten sich, Übergriffe wurden geblockt. Schade ist, dass wir uns kein eigenes Bild machen können, es nicht schaffen staatliche Bevormundung, Fake-News-Unterstellungen und die Vier-Parteien-Staatspropaganda abzuwehren.
  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude, Russland (3. April 2024 um 09:54 Uhr)
    »Außerdem will die BRD das Prinzip der ›Staatenimmunität‹, das russisches Staatsvermögen schützt, nicht angetastet sehen. Unter Berufung auf diesen Grundsatz hatte Deutschland seit Jahrzehnten Entschädigungen für Nazikriegsverbrechen in Italien und Griechenland vermeiden können.« Wie edel. Das Prinzip wollen sie bewahren, aber gleichzeitig russisches Staatsvermögen de facto stehlen. Es kann ja auch 60 oder 100 Jahre eingefroren bleiben, so lange, bis im Rahmen eines Superinflation Euro oder Dollar im Verhältnis 1:1000 oder noch höher an Wert verloren haben, was bei der Staatsverschuldung durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Nach der Entwertung wird dann großzügig in einer »Tauwetterperiode« an Russland ausgezahlt. Ja, unsere Schlaumeier sind unübertrefflich. Die Planung eines Angriffskrieges ist verboten, nicht aber dessen Durchführung. Was aber, wenn die USA ganz uneigennützig den Einsatz der Atombomber mit »deutscher Teilhabe« planen und der Vasall Bundeswehr führt es dann aus? Das würde keinem deutschen Gesetz widersprechen. Laut Vertrag durften keine NATO Truppen ab einer gewissen Höhe ständig im Baltikum stationiert werden. Dann ließ man sie rotieren und es waren immer welche da. Und jetzt bricht die Bundeswehr den Vertrag in Litauen ganz offen. Wohin man auch schaut, Minsk II, Abrüstungsverträge – mit den Rosstäuschern aus dem Westen kann man einfach keine Verträge schließen. Es ist anzunehmen, dass Russland dann auf andere Weise für das sorgen wird, was es für sein Recht hält, ganz nach Vorbild der USA. Der Westen hätte es in der Hand gehabt, dies zu verhindern, wenn er sich an Abmachungen und Verträge gehalten hätte.

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