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Aus: Ausgabe vom 04.04.2024, Seite 10 / Feuilleton
Metal

Außen schön, innen hässlich

Metal als Bullshitjob: »Perpetual Terminal« von Darkest Hour
Von Ken Merten
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Härter kuscheln: Darkest Hour

Irgendwas scheppert immer: Metal ist eine alt gewordene, beständige Sache, wo aber stets etwas nachwächst. Den Krachkasten am Laufen zu halten, das erfordert Plackerei. »This is a ravenous love / You get what you give in / But is it ever enough? / I feel the pressure collapse / Out of breath / And out of time / Out of the one thing / You worked your whole life for«, heißt es im Titeltrack zum neuen Album von Darkest Hour, »Perpetual Terminal«. Im Video wacht zu Beginn eine arg zugerichtete Fantasy-Kriegerin in einer Burgruine aus ihrer Bewusstlosigkeit auf. Der Kehrreim kommentiert das: »I gave everything to the night / And gave everything for the song / When I lost myself to learn / Everyday I am reborn.« Reminiszenzen an ein feuriges Schlachtgetümmel treiben Brünhild an bei der Suche nicht nach ihrem Kampfgerät. Da kippt der Song auch vom Gitarrensolo Mike Carrigans in seine seichteste Passage, eine zweistimmig und akustisch gezupfte Bridge – das Leben kann so leicht sein –, derweil sich das Niedermetzeln als ewige Wiederkehr bildlich ankündigt. Passend dazu reinigt sich die Waffengängerin erst das Gesicht in einem See, um sich anschließend schwarze Streifen über die gesäuberten Wangenpartien zu ziehen. Repetitive Prozedere, mehrwertloser Habitus, alles nur ein Bullshitjob.

»Gerade in dieser Zeit, in der wir viel Output schaffen wollten, ist uns noch mal klar geworden, dass alles, was nach außen hin toll aussieht, sich im Innern richtig hässlich anfühlen kann«, sagte Mike Schleibaum, wie Carrigan an einem Sechssaiter tätig, wie Sänger John Henry verbliebenes Gründungsmitglied der Band, im Interview zum Album gegenüber der Onlineplattform metal.de. Kommendes Jahr feiert das als Quartett gestartete Quintett aus Washington (USA) drei Dekaden des Bestehens. Neben diesem oder jenem Fansong für die örtliche Eishockeymannschaft lieferten Darkest Hour insgesamt zehn Langspieler, allesamt verortbar zwischen kratzbürstigem Melodic Death ­Metal, feinkörnigem Thrash und einem Metalcore, der sich um synthetisches Hintergrundgeplänkel recht wenig schert, dafür aber das Fell der Snare fortwährend dünner drischt. Will man den Schrank schnöder Zuordnungen bestücken, dann kämen die ersten drei Alben ins Schubfach für – sicher auch den damaligen technischen Möglichkeiten entsprechend – unbehauenen Melodic Death; die folgenden fünf LPs repräsentierten dann die explizite Metalcorephase. Dann wird’s solitärer. »Godless Prophets & the Migrant Flora« (2017) machte einen Sprung zurück ins Rabiate, das Album mit den meisten Thrash- und Death-Anteilen folgte auf das softeste (»Darkest Hour«, 2014). »Jedes unserer anderen Alben, abgesehen natürlich vom Debüt (›The Mark of Judas‹, 2000, jW), war in gewisser Weise eine Reaktion auf seinen Vorgänger«, so Schleibaum.

»Perpetual Terminal«, teils mit ­Studiopersonal erarbeitet, das schon beim Self-Titled-Album mitmischte, scheint jedoch nicht nur auf die vorangegangene Brecherscheibe zu reagieren, sondern das Gesamtwerk zu summieren: Songs wie »Love is Fear« und »New Utopian Dream« treffen mit bekannten Mitteln präzise Mittelwerte, Grobheit und aus feiner Friemelei geknüpftem Klangteppich sind beisammen. Genau das macht es aber auch so trist: »Perpetual Terminal« ist alle Darkest-Hour-Alben, nur fehlen die Ausreißer nach oben, die bisher jedes zu bieten hatte. Statt dessen wird mit nahezu radiotauglicher Kuscheligkeit versucht, sich recht gezwungen als neuerlich neu aufgestellt zu präsentieren. »One With the Void« soll kraftvoll den Sturz ins Nichts vermitteln, wäre aber letztlich der zwischen den Tempi hängende, lustlose Tagestiefpunkt auf »Perpetual Terminal« – gäbe es da nicht noch das teils mit Akustikgitarre versehene »Mausoleum«, bei dem man sich tatsächlich ein bisschen ins »Sanatarium« und (O Graus!) zu Metallica wünscht. Bei Darkest Hour klingt die Ewigkeit nach etwas zwischen pubertärer Sinnleere und depressivem Schub: »When nothing is wrong / Nothing seems right / The silence is gone / The violence of pride / All in a day, all in a night / It all feels the same.«

Dankbar um seine Emsigkeit und die Hervorbringung so großartiger Gruppen wie Darkest Hour gesteht man sich ein: Metal hat ein Burnout und braucht Hilfe.

Darkest Hour: »Perpetual Terminal« (Mnrk Records)

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