4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 02.04.2024, Seite 6 / Ausland
Linksregierung in Spanien

Kriegstreiber Sumar

Spanien: Außenpolitische Doppelzüngigkeit und »grüne« Tendenzen in der Führung spalten das noch junge Linksbündnis
Von Carmela Negrete
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Linker Segen für Kriegskurs des sozialdemokratischen Premiers: Sumar-Sprecher und Kulturminister Urtasun (Madrid, 23.3.2024)

Die erneuten Waffenlieferungen Spaniens an die Ukraine, die Premierminister Pedro Sánchez unlängst angekündigt hat, seien Teil der »legitimen Selbstverteidigung« des Landes. Das erklärte Sumar-Sprecher Ernest Urtasun auf der wöchentlichen Pressekonferenz des Bündnisses am 21. März. Diese Aussage steht in eklatantem Widerspruch zu der Position der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) zu diesem Thema. Ihre Abgeordneten, die bei Sumar eingebunden sind, schwiegen. Doch der PCE veröffentlichte am darauffolgenden Tag eine Erklärung auf seiner Webseite, in der zu lesen ist: »Wir wiederholen unsere Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine und verurteilen die kriegerische Eskalation in Europa.«

Die Sprecherin der aus Sumar ausgetretenen und in die Opposition gewechselten Linkspartei Podemos, María Teresa Pérez, prangerte dagegen Sánchez’ Schritt sofort offen an: Womöglich wolle der Regierungs- und Parteichef des sozialdemokratischen PSOE auf diese Weise »der nächste Generalsekretär der NATO werden«. Sánchez habe das »Nein zum Krieg« aufgegeben »und führt uns in eine kriegerische Eskalation gegen eine Atommacht«. Pérez kritisierte auch das Gerede von der Notwendigkeit einer Kriegswirtschaft. Podemos forderte, dass das Parlament über die Waffenexporte abstimme.

Kaum hatte Sumar – nach mehr als einem Jahr Existenz – am vorvergangenen Wochenende seine erste Vollversammlung abgehalten, droht das Konstrukt auseinanderzubrechen. Wie jW aus Quellen der Vereinigten Linken (IU) erfahren hat, gibt es innerhalb des Bündnisses eine tiefe Unzufriedenheit mit den Entscheidungen von Sumar-Chefin Yolanda Díaz und ihres grünennahen Teams. Die Haltung zur Ukraine sowie die Liste für die EU-Wahl sorgen für Unmut in der Allianz, deren stärkste Kraft eigentlich der PCE ist. Auch möglich ist, dass die IU aus der Regierung aussteigt. Denn dadurch, dass Díaz offene Abstimmungen unter den Mitgliedern ablehnt, fallen abweichende Standpunkte unter den Tisch. Statt dessen sind viel kleinere Parteien wie die linksliberale Más Madrid oder Urtasuns Catalunya en Comú überrepräsentiert.

Auch bei anderen außenpolitischen Themen muss Sumar sich vorwerfen lassen, nicht genug Druck auf den PSOE zu erzeugen. So hinsichtlich der Westsahara. Zwar hielt der Vertreter der Polisario-Front in Spanien, Abdullah Arabi, auf dem Sumar-Kongress am 23. März in Madrid eine Rede und forderte das Bündnis auf, »die nötigen Schritte zu unternehmen, damit Spanien sich an das Völkerrecht hält«, wenn es um die Westsahara und Marokko geht. Doch obwohl Sumar und die Polisario-Front im November eine Übereinkunft getroffen hatten, hatte dies bislang noch keine praktischen Konsequenzen. So wurde die Sumar-Abgeordnete Tesh Sidi, die sahrauische Wurzeln hat und sich für die Selbstbestimmung des Landes und ein Ende der marokkanischen Besatzung einsetzt, nicht in den Vorstand der Allianz gewählt. Auch die am 21. März von Tamara Ćapeta, der Generalanwältin des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), veröffentlichten Gutachten über die zwischen der EU und Marokko abgeschlossenen Handels- und Fischereiverträge wurden von Sumar bislang nicht problematisiert. Ćapeta hatte der Polisario-Front abgesprochen, der legitime Vertreter der Sahrauis zu sein, und Marokko zur »Verwaltungsmacht« erhoben.

Eine Spaltung Sumars könnte schon bald kommen. Denn offenbar will Sumar-Chefin, Arbeitsministerin und Vizepräsidentin Yolanda Díaz, dass das Bündnis sich in Madrid zurückzieht und das Feld ihrem Mitglied Más Madrid überlässt. Der Chef der Vereinigten Linken in der Region, Álvaro Aguilera, warnte vorvergangenen Sonnabend gegenüber dem linken Webportal Diario Red: »Más Madrid kann Sumar in der Autonomen Gemeinschaft Madrid nicht allein vertreten. Denn das würde den faktischen Ausschluss der Madrider IU bedeuten.« Ein Bruch mit der IU wäre aber das mögliche Ende von Sumar und könnte Neuwahlen nach sich ziehen.

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