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Aus: Ausgabe vom 27.03.2024, Seite 10 / Feuilleton

Fleischer, Ludwig

Von Jegor Jublimov
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Rolf Ludwig (M.) in »Das Feuerzeug« (Siegfried Hartmann, 1959)

Dass Film nicht nur buntes Spiel ist, sondern viel mit Technik zu tun hat, dürfte allen klar sein. Aber die Freude daran, für spannende oder auch komische Kino- oder Fernsehfilme mit technischen Mitteln ganz im Hintergrund zu wirken, erfordert Neugier und eine besondere Liebe zur Materie. Uwe Fleischer wurde davon nicht nur selbst erfasst, sondern hat auch junge Leute damit angesteckt. Nach einer Fotografenlehre hatte er als Filmfotograf und Kameraassistent beim Defa-Spielfilmstudio begonnen, an der Babelsberger HFF Abschlüsse als Dipl.-Ing. für Film- und Fernsehtechnik und als Diplomkameramann erlangt und leitete er die Trickabteilung des Studios ab 1981 für mehr als ein Jahrzehnt. Nach Ende der Defa baute er ein digitales Bildbearbeitungszentrum auf und arbeitete auch für andere Auftraggeber, die seine Expertise schätzten. Als Spezialist auf dem Gebiet des Filmtricks lehrte er nicht nur an seiner ehemaligen Uni in Babelsberg, auch in Bagdad, Paris oder Hongkong konnte man von ihm lernen. Am schönsten ist wohl für alle, dass er am Filmgymnasium Babelsberg als Mentor wirkte. Hier werden junge Leute für die einzelnen Berufe der Arbeit hinter der Kamera begeistert, und manch einer hat einen Filmberuf ergriffen. Begonnen hat Fleischer damit, als er 60 war. Im vergangenen Jahr gab er den Staffelstab weiter und wird am Sonnabend 75. Als Ratgeber ist er nach wie vor gefragt.

Am 27. März vor 25 Jahren starb Rolf Ludwig, der fast 74 wurde und als einer der großen Charakterschauspieler in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gilt. Doch er hatte mittelbar auch mit Uwe Fleischers Arbeit als Trickkameramann zu tun, denn als ausgewiesener Komödiant wirkte er in einigen amüsanten Filmen mit. Nach wie vor sieht man ihn zu den Feiertagen in der Hans-Christian-Andersen-Adaption »Das Feuerzeug« (1959) als einen um seinen Sold betrogenen Soldaten, der mit überlebensgroßen Hunden konfrontiert wird, die einen Schatz bewachen. Für die Tricks in diesem Märchen zeichnete Altmeister Ernst Kunstmann verantwortlich, zu dessen berühmtesten Filmen »Metropolis« (1927) und »Amphitryon« (1935) zählen. Uwe Fleischer knüpfte nicht nur an dessen Arbeit an, sondern schrieb auch ein Buch über die komplizierte Arbeit an den damaligen Tricks. In Ludwigs Filmen »Der Mann mit dem Objektiv« (1961), »Die Zwillinge« (1973 mit sich selbst als Partner) und »Das Schulgespenst« (1986 mit gezeichneter Partnerin) wurde ebenfalls in die Trickkiste gegriffen. Auch, wenn er im Film neben Leichtgewichtigem auch große Charakterrollen spielte (»Abschied«, 1968, »Requiem für Hans Grundig«, 1975/76, »Die ewigen Gefühle«, 1984, »Nikolaikirche«, 1995), blieb er doch dem Theater verhaftet. Seine Hauptrollen in »Der Diener zweier Herren«, »Der Drache«, »Der gute Mensch von Sezuan« und »Der Meister und Margarita« am Deutschen Theater und der Volksbühne schrieben Theatergeschichte. Und sein immer wieder aufgeführter Wolfgang-Borchert-Abend war ein eindrucksvolles Bekenntnis zum Frieden.

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