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Aus: Ausgabe vom 27.03.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Ostermarschbewegung

»Das ist tatsächlich Kriegsvorbereitung«

Rostock: Friedensbewegung geht am Sonnabend auf die Straße. Gespräch mit Cornelia Mannewitz
Von Kristian Stemmler
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»Gegen ein neues Wettrüsten!« – Ostermarsch für den Frieden in Rostock (20.4.2019)

Auch in Rostock ruft ein Bündnis der Friedensbewegung für Sonnabend zu einem Ostermarsch auf. Wie lautet das Motto, und was ist geplant?

Bei uns heißt es: »Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus! Stopp aller Waffenlieferungen in Kriegsgebiete!« Die Route: vom Denkmal für die revolutionären Matrosen, wo wir an 1918 erinnern, über ein Hotel, das Militärangehörigen Rabatte einräumt, bis in die Nähe vom Rathaus. Am Line-up der Redner basteln wir noch. Wir wollen vor allem Gruppen linker Bewegungen eine Stimme geben.

Angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine, des Gazakriegs und zahlreicher weiterer Kriege erscheint der Ruf nach Frieden in der Welt in diesem Jahr dringlicher denn je.

Allerdings. Und dieser Ruf muss laut sein, um das Säbelrasseln zu übertönen. Es geht nur noch um die aggressive Durchsetzung ökonomischer und geostrategischer Interessen. Der Kapitalismus scheint keine Reserven für friedliche Konfliktlösung mehr zu haben. Bei uns wird ungeniert über die Reaktivierung der Wehrpflicht nachgedacht, Friedensbewegte werden als »gefallene Engel aus der Hölle« geschmäht. Alles läuft unter »Verteidigung« und »Sicherheit«, aber es ist tatsächlich Kriegsvorbereitung.

Apropos Ukraine: Mittlerweile muss man sich ja oft schon rechtfertigen, wenn man – wie kürzlich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich – lediglich Waffenstillstandsverhandlungen vorgeschlagen hat. Was sagt das über das Niveau der politischen Debatte zum Thema aus?

Der Diskurs ist völlig verwildert. Sogar der Papst wurde schon gleichsam niedergebrüllt. Es ist klar, dass auch er ein politisches Amt bekleidet, aber früher hätte es da noch einen gewissen Respekt gegeben. Wir jedenfalls greifen seinen Appell mit den weißen Fahnen auf. Leute, bringt weiße Fahnen zum Rostocker Ostermarsch mit! Sie sind das Kennzeichen der Parlamentäre auf dem Weg zu Verhandlungen. Nur Verhandlungen können Kriege beenden, auch den in der Ukraine.

Bei vielen Ostermarsch-Kundgebungen wird auch die Eskalation in Gaza eine Rolle spielen. Kritik an Israels Vorgehen wird von Politikern und Leitmedien oft als »antisemitisch« diffamiert. Wie sehen Sie das?

Es gibt ja mindestens zwei Antisemitismusdefinitionen: die IHRA-Definition und die der Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus. Letztere ist klarer formuliert und lässt Kritik am Staat Israel zu, ohne sie per se antisemitisch zu nennen. Meist wird das aber vermischt, besonders in Deutschland. Die Hetze gegen die internationalen Macher der Documenta 2023 oder jetzt die Preisträger der Berlinale lässt grüßen. Wer soll so noch wagen, Kriegsverbrechen anzuprangern? Dabei geht es auch im Gazakrieg um Interessen internationaler Mächte im Nahen Osten. Bluten müssen dafür Palästinenser und auch Israelis.

Der innenpolitische Diskurs hat sich gewaltig verschoben. Verteidigungsminister Boris Pistorius forderte, das Land müsse »kriegstüchtig« werden, Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger empfahl zuletzt, Schüler auf den Krieg vorzubereiten. Was sagen Sie dazu?

Sogar Kitakinder sind mittlerweile im Fadenkreuz der Bundeswehr. Da haben wir die Begeisterung für den Krieg wieder, die 1914 angefacht wurde, um die Menschen in den Ersten Weltkrieg zu treiben. Na ja, wir demonstrieren am Sonnabend ja auch am Denkmal für die revolutionären Matrosen …

Sie haben Personen, die als Anmelder für die »Friedensbewegung Rostock« aktiv sind, von Ihrer Versammlung ausgeschlossen. Was hat es damit auf sich?

Die »Friedensbewegung Rostock« kommt aus der Querdenken-Bewegung gegen die Corona-Maßnahmen. Corona zieht jetzt nicht mehr so, »Frieden« klingt dagegen immer gut, und viele Losungen sind unseren zum Verwechseln ähnlich. Aber sie verbreiten eben auch radikal rechte Narrative. Ein Sprecher der AfD Mecklenburg-Vorpommern ist schon dort aufgetreten. Wir kennen das Konzept von den Mahnwachen für den Frieden 2014/15. Unter deren Eindruck haben sich viele von der Friedensbewegung abgewandt. Mancher will Frieden und demonstriert dort mit, weil er es nicht besser weiß. Aber die Anmelder müssen wissen, was sie tun. Sie schaden der Friedensbewegung.

Cornelia Mannewitz ist aktiv beim Rostocker Friedensbündnis

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