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Aus: Ausgabe vom 27.03.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Friedensbewegung

Absage an »Kriegstüchtigkeit«

Ostermärsche für Frieden und Abrüstung haben begonnen. Höhepunkt am Wochenende. DGB mit doppeldeutigem Aufruf
Von Henning von Stoltzenberg
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Ostermarschierer im vergangenen Jahr in München (8.4.2023)

Am vergangenen Sonnabend haben die Veranstaltungen der Ostermarschbewegung für Frieden und Abrüstung mit dem Potsdamer Ostermarsch begonnen. Am kommenden Wochenende finden im gesamten Bundesgebiet über 100 Kundgebungen und Demonstrationen statt – einmal mehr unter dem Eindruck kriegerischer Auseinandersetzungen in Europa, im Nahen Osten und vor dem Hintergrund des Aufrüstungskurses der Bundesregierung. Die Teilnehmer eint die Ablehnung der Aufrüstung zur »Kriegstüchtigkeit« und die Kritik am herrschenden Diskurs über diese Kriege.

»Die Kriege beenden, die Aufrüstung stoppen! Friedensfähigkeit statt Kriegstüchtigkeit!« lautet etwa der Slogan für den Ostermarsch Rhein-Ruhr, der traditionell am Ostersonnabend in Duisburg beginnt. Die Welt befinde sich in existentieller Gefahr, ist die Einschätzung der Organisatoren der Ostermarsch-Aktionen in der Region. Die weltweiten Spannungen, Konflikte und Waffengänge sowie die Atom- und Hochrüstung steigerten die Gefahr eines großen Krieges, die ökologische Katastrophe bedrohe die Lebensgrundlagen. Die alte, von den USA dominierte Weltordnung gehe dem Ende entgegen, und eine neue Weltordnung sei im Entstehen. Die Rückkehr der Diplomatie statt der Illusion militärischer Lösungsversuche sei ebenso das Gebot der Stunde wie die Beendigung sämtlicher Waffenexporte.

Während diese Einschätzung in der Friedensbewegung überwiegend Konsens ist, gibt es wie schon im vergangenen Jahr Kontroversen hinsichtlich der Frage der Bündnispartner. So ist erstmalig die Aktion des Friedensforums Düsseldorf nicht Teil des Ostermarsches Rhein-Ruhr, weil dort auch Akteure mit von der Partie sind, denen von verschiedenen Beteiligten »Rechtsoffenheit« vorgeworfen wird.

Der Ostermarsch Rhein-Ruhr sieht sich in antifaschistischer Tradition und grenzt sich deutlich gegen rechts ab.

Andernorts werden ähnliche Diskussionen geführt, allerdings nicht immer öffentlich. Die Abspaltung der Gruppe um Sahra Wagenknecht von der Linkspartei und die Gründung des BSW führt dagegen nicht zwingend zu einer weiteren Zersplitterung der Friedensbewegung. »Uns ist es wichtig zu betonen, dass wir uns anhand dieser Frage nicht aufspalten lassen«, sagte Felix Oekentorp, einer der Sprecher des Ostermarsches Rhein-Ruhr, gegenüber jW. So werde Özlem Alev Demirel, Linke-Spitzenkandidatin zur Europawahl, in Dortmund sprechen, während Andrej Hunko (BSW) in Herne als Redner eingeladen wurde.

Ein ernsteres Problem für die Friedensbewegung ist dagegen die ambivalente Position des DGB auf der Bundesebene, der mit einem eigenen Aufruf zu den Ostermarsch-Aktionen mobilisiert. Der Gewerkschaftsbund fordert einerseits von der Bundesregierung, sich mit aller Entschlossenheit für diplomatische Ansätze zur Konfliktlösung einzusetzen und neue Initiativen für die Wiederbelebung von Abrüstung, Rüstungs- und Rüstungsexportkontrolle auf den Weg zu bringen. In dem Aufruf fordert der DGB eine »Politik, die für Gewaltfreiheit, ein breites Sicherheitsverständnis und multilaterale Kooperation eintritt, statt sich auf militärische Bedrohungen und Freund-Feind-Rhetorik zu fixieren«. Zuvor heißt es jedoch, man stehe solidarisch an der Seite der Ukraine, wenn es darum ginge, ihr die Wahrnehmung ihres Rechts auf Selbstverteidigung zu ermöglichen - was man kaum anders denn als Bekenntnis zu Waffenlieferungen an Kiew verstehen kann. Außerdem fällt kein Wort über die israelischen Kriegsverbrechen und die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen. Zahnlos heißt es, die Bundesregierung müsse gemeinsam mit ihren Partnern dafür sorgen, dass die Grenzen des humanitären Völkerrechts von keiner Kriegspartei überschritten würden.

»Ich freue mich darüber und finde es positiv, dass der DGB zum Ostermarsch aufruft. Die Passagen zum Ukraine-Krieg stimmen mich jedoch wenig euphorisch. Die Passage zum Nahen Osten ist wohl der Staatsräson geschuldet«, schätzt Oekentorp den Aufruf der Gewerkschaftsspitze ein.

Ausgewählte Termine

Donnerstag, 28. März

Erfurt: 16 Uhr, Anger

Freiburg: 16.30 Uhr, Platz der Alten Synagoge

Freitag, 29. März

Chemnitz: 10 Uhr, Neumarkt

Fliegerhorst Jagel: 12 Uhr, Bahnhof Schleswig

Bruchköbel: 14 Uhr, Wochenmarkt Bruchköbel, Hauptstraße 55

Gütersloh: 15 Uhr, Haupteingang des ehemaligen Militärflughafens Gütersloh

Sonnabend, 30. März

Wolfsburg: 10 Uhr, Gewerkschaftshaus, Siegfried-Ehlers-Straße 2

Gera: 10 Uhr, Johannisplatz

Ohrdruf: 10 Uhr, Todesmarsch-Denkmal, Waldstraße

Suhl: 10 Uhr, Friedenseiche

Schwerin: 10 Uhr, Grunthalplatz

Unterlüß: 10.30 Uhr, Bahnhof

Kassel: 10.45 Uhr, Bebelplatz (Westroute), 11 Uhr, Halitplatz (Nordroute)

Hannover: 11 Uhr, Aegidienkirche

Leipzig: 11 Uhr, Wilhelm-Leuschner-Platz

Rostock: 11 Uhr, Denkmal für die revolutionären Matrosen, Lübecker Straße

Bremerhaven: 11 Uhr, Marineoperationsschule, Elbestraße 101

Flensburg: 11 Uhr, Nordertorplatz

München: 11.15 Uhr, Marienplatz

Emden: 11.15 Uhr, Hauptbahnhof

Cottbus: 11.15 Uhr, Bunter Bahnhof, Güterbahnhofstraße 8

Augsburg: 11.30 Uhr, Moritzplatz

Saarbrücken: 12 Uhr, Johanneskirche

Berlin: 13 Uhr, Kino Kosmos, Karl-Marx-Allee

Sonntag, 31. März

Frankfurt/Oder: 14 Uhr, Friedensstele, Walter-Korsing-Straße

Montag, 1. April

Sassnitz: 10 Uhr, Stadthafen, Molenfuss

Marburg: 11 Uhr, Deserteurdenkmal

Wolmirstedt: 12 Uhr, Rathaus, August-Bebel-Straße 25

Hamburg: 12.30 Uhr, Bahnhof Barmbek

Nürnberg: 13.30 Uhr, Kopernikusplatz

Mannheim: 14 Uhr, Coleman Barracks, Haupteingang, Viernheimer Weg

Neubrandenburg: 14 Uhr, Marktplatz

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