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Aus: Ausgabe vom 26.03.2024, Seite 7 / Ausland
Türkische Faschisten

Lynchangriffe nach Newrozfest

Belgien: Hetzjagden von türkischen »Grauen Wölfen« auf Kurden. Mehrere Schwerverletzte. Dachverband sieht koordinierte Attacke
Von Nick Brauns
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Hunderte meist kurdische Demonstranten protestierten am Montag in Brüssel gegen die Lynchattacken vom Vortag

In der belgischen Provinz Limburg ist es am Sonntag im Anschluss an ein Newroz-Fest zu Hetzjagden Hunderter türkischer Faschisten auf Kurden gekommen. Mindestens sechs Menschen befinden sich mit zum Teil schweren Verletzungen im Krankenhaus. In der Stadt Löwen hatten rund 5.000 Kurden das Neujahrsfest Newroz gefeiert. Zu den Übergriffen kam es, als Fahrzeuge mit Festteilnehmern in die rund 50 Kilometer entfernten Gemeinden Houthalen-Helchteren und Heusden-Zolder zurückkehrten, wo rund ein Viertel der Bevölkerung türkeistämmig ist.

Sympathisanten der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in mehreren Autos hätten während des Fastenmonats Ramadan mit »sogenannten kurdischen Flaggen« und Bildern des PKK-Gründers Abdullah Öcalan provoziert, erklärte der Vizebürgermeister von Heusden-Zolder, Yasin Gül, am Sonntag abend im Sender CNN Türk. »Natürlich sind die nationalen und religiösen Empfindlichkeiten in dieser Region sehr hoch. Deshalb konnten unsere Bürger angesichts einer solchen Provokation nicht schweigen«, rechtfertigte Gül, der selbst 2019 wegen seiner Nähe zur türkisch-faschistischen Bewegung der »Grauen Wölfe« aus der flämischen Christdemokratie (CD&V) ausgeschlossen worden war, faktisch die Übergriffe auf Kurden. In Belgien gilt die PKK nach Urteilen des obersten Gerichts – anders als in Deutschland – nicht als terroristisch, sondern wird als legitime Befreiungsbewegung eingestuft.

Der Bürgermeister von Houthalen-Helchteren, Alain Yzermans, berichtete gegenüber der Presse von einem Angriff auf einen türkischen Jugendlichen, der zuvor seinen Protest gegen die vom Newroz-Fest zurückkehrenden Kurden geäußert habe. Die Nachricht vom Angriff auf den Jugendlichen habe sich wie ein Lauffeuer in der Nachbarschaft verbreitet, so Yzermans, Hunderte Personen seien daraufhin zu einem von Kurden bewohnten Haus gezogen. In dem Gebäude befanden sich nach Informationen der kurdischen Nachrichtenagentur ANF auch Dutzende vorherige Teilnehmer der Newroz-Feier, darunter Kinder. Augenzeugen wiesen gegenüber ANF die Behauptung zurück, ein möglicher Angriff auf einen türkischen Jugendlichen sei Auslöser der Lynchangriffe gewesen.

Die Faschisten seinen vielmehr verabredet und planvoll vorgegangen. So hätten mehrere Gruppen in Houthalen-Helchteren und Heusden-Zolder Autos mit Kurden gestoppt, die Insassen auf die Straße gezerrt und zusammengeschlagen. In Videos, die offenbar von den Angreifern selbst in sozialen Netzwerken verbreitet wurden, sind Männer zu sehen, die auf am Boden liegende Personen eintreten und dabei »Dreckskurden« und »PKK-Bastarde« rufen. Andere Aufnahmen zeigen Faschisten, die Autos demolierten, die sie durch Kurdistan-Wimpel und Schals in den Farben Grün, Rot und Gelb identifiziert hatten. Erst, nachdem Kurden aus anderen umliegenden Gemeinden eingetroffen waren, um den in dem Haus Eingeschlossenen zu Hilfe zu kommen, habe die Polizei unter anderem mit einem Wasserwerfer eingegriffen und die Lage unter Kontrolle gebracht. So sei in letzter Minute verhindert worden, dass das umzingelte Gebäude in Brand gesteckt wurde. In den Videos ist zu sehen, wie Angreifer den faschistischen Wolfsgruß zeigen. In Heusden-Zolder befindet sich eine Kampfsportschule, die den »Grauen Wölfen« nahestehen soll.

Der Dachverband kurdischer Vereine in Europa, KCDK-E, geht von einem geplanten Lynchangriff unter Federführung des türkischen Geheimdienstes aus. Die politische Offensive der kurdischen Befreiungsbewegung durch die massenhafte Beteiligung an Newroz-Festen in Kurdistan und der Türkei, aber auch in Europa habe die türkische Staatsführung in Rage versetzt, heißt es in einer Erklärung des Verbandes vom Montag. »In Belgien wurde versucht, durch einen von den türkischen Konsulaten orchestrierten faschistischen Angriff, bei dem die belgische Polizei einfach nur zusah, eine Straßenschlacht herbeizuführen.«

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