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Aus: Ausgabe vom 26.03.2024, Seite 5 / Inland
Agrarpolitik

Zoff nach Aus für Agrardiesel

Bauernorganisationen kritisieren fehlende Kompensation für Steuererhöhung – und streiten untereinander
Von Oliver Rast
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Massenmobilisierung: Treckeraufzug auf dem Volksfestplatz (Nürnberg, 12.1.2024)

Die Entscheidung wirkt nach, auch zum Wochenauftakt: Eine massive Steuererhöhung sei das, ferner eine Wettbewerbsverzerrung, alles zulasten der heimischen Landwirtschaft, monierte Alfons Wolff am Montag gegenüber jW. Und das »ohne eine einzige konkrete Maßnahme, mit der wir die finanzielle Mehrbelastung ökonomisch ausgleichen könnten«, so der Bundessprecher der Vereinigung Freie Bauern weiter.

Um exakt 12.38 Uhr am vergangenen Freitag war die Newslettermeldung des Bundesrats raus – nicht ganz fehlerfrei, wohlgemerkt: »Absenken der Subventionen beim Agrardiesel: Die Steuerbegünstigung von Dieselkraftstoff für Betriebe der Land- und Fortwirtschaft (sic!) sinkt schrittweise und entfällt ab 2026 vollständig.« Damit billigte der Bundesrat das zuvor im Bundestag beschlossene sogenannte Wachstumschancengesetz im Rahmen des Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetzes 2024, in dem auch das Auslaufen der Agrardieselbeihilfe geregelt ist. Ein Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses, wie etwa von Brandenburg und Bayern gefordert, fand keine Mehrheit in der Länderkammer. Damit ist das Gesetz nun final durch.

Folgenreich für Landwirte, denn das peu-à-peu-Aus des Agrardiesels für Trecker und Mähdrescher ist direkt einkommenswirksam. Die Beihilfe wird von 21,48 Cent pro Liter Diesel dieses Jahr um 40 Prozent auf 12,88 Cent pro Liter gekürzt und ab kommendem Jahr um weitere 30 Prozent auf 6,44 Cent pro Liter, um 2026 komplett wegzufallen. Kein Pappenstiel: Durch den Wegfall der Rückerstattung verlieren Bauern rund 440 Millionen Euro an Steuerentlastung.

Wochenlang hatten Landwirtorganisationen zu landesweiten Protesten aufgerufen, ein beispielloser Aufruhr im Agrarsektor hierzulande. Auch am Tag der entscheidenden Bundestagssitzung protestierten Bauern mit einer Traktorensternfahrt ins Berliner Regierungsviertel; einige Spediteure, die gegen die neue Lkw-Maut opponieren, schlossen sich an. Aber: Nicht die erwarteten 1.000 Teilnehmer kamen, lediglich ein Viertel, optimistisch geschätzt. Zudem organisierte der Landesbauernverband Brandenburg (LBV) eine Kundgebung vor dem Bundesratsgebäude mit wenigen Dutzend Protestwilligen. Kurzum: Die Luft scheint raus.

Beigelegt ist der Konflikt dennoch nicht. Denn einmal mehr lautet die Devise – Wolff: »Wenn man nichts fordert, kriegt man auch nichts.« Auch der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, zeigte sich enttäuscht über den Beschluss des Bundesrats. Er betonte, dass jetzt eine gleichwertige Kompensation für die Mehrbelastung erforderlich sei. Mindestens. Und er hat angekündigt, dass der Agrardiesel bei der Bundestagswahl 2025 ein Thema bleiben wird.

Bloß, etwaige Ausgleichszahlungen bleiben seitens des Bundeskabinetts vage. Geprüft werde eine Steuerbefreiung von alternativen Kraftstoffen und Antriebstechnologien in der Landwirtschaft, heißt es. Daneben will der Bund die »Marktstellung« der Landwirte stärken, mittels fester Vorgaben für Lieferverträge (Menge, Preis oder Laufzeit). Ebenso unfaire Handelspraktiken im Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetz verbieten. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) meint, mit den »berechtigten Bauernprotesten« sei viel erreicht worden, »jetzt ist aber die Zeit gekommen, in der das Erreichte gemeinsam mit dem Berufsstand umgesetzt werden muss«.

Martin Schulz ist skeptisch – und holt zunächst gegen den DBV aus. Dessen Funktionäre würden Versprechen nicht halten, ärgerte sich der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) am Freitag. Die Masche des DBV sei, Proteste kommunikativ zu vereinnahmen, »um in den Hinterzimmern von Berlin und Brüssel Klientelpolitik für die Interessen der Agrarindustrie und Ernährungswirtschaft zu machen«.

Diese Seilschaften kennt auch Wolff von den Freien Bauern. Deshalb sei es auch nie allein um den Agrardiesel gegangen, sondern um eine Wende in der Agrarpolitik, etwa um die »Abschaffung unsinniger Produktionsauflagen und Maßnahmen gegen den Preisdruck durch Importe und Monopole«.

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