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Aus: Ausgabe vom 26.03.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Bilaterale Wirtschaftspolitik

»Krisenfeste« Standorte

BRD-Firmen bauen Zulieferstrukturen samt Produktion in China aus. Investitionsrückgang aus Ostasien
Von Jörg Kronauer
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Auf der Leinwand: Chinas Premier Li Qiang am Sonntag vor versammelten westlichen Kapitalbossen in Beijing

Wie geht es weiter mit den auswärtigen Investitionen in der Volksrepublik? Die Frage wurde auf dem China Development Forum immer wieder gestellt. Insgesamt sind sie im Jahr 2023 deutlich zurückgegangen. Der simple Zufluss an Investitionen aus dem Ausland sank laut Angaben des Handelsministeriums in Beijing vom Januar um 8,0 Prozent auf 1,13 Billionen Yuan (146 Milliarden Euro). Nicht mitgerechnet sind freilich – verbreitete – Investitionen, die aus Gewinnen ausländischer Unternehmen in China finanziert wurden. Im Februar legte die Staatliche Devisenverwaltung in Beijing Zahlen über die Direktinvestitionsverbindlichkeiten vor, die allerdings einiges mehr als nur die Investitionen selbst umfassen, darunter etwa Änderungen in der Betriebsgröße ausländischer Industrieunternehmen und die Entwicklung ihrer Gewinne, die 2023 um 6,7 Prozent sanken. Die Direktinvestitionsverbindlichkeiten brachen gegenüber 2022 um 82 Prozent ein und lagen mit 33 Milliarden US-Dollar so niedrig wie seit 1993 nicht mehr.

Ein genauer Blick zeigt eine widersprüchliche Entwicklung. Die Investitionen deutscher Unternehmen in der Volksrepublik inklusive Hongkong erreichten in den drei Jahren ab 2021 jeweils neue Rekordwerte – zunächst 11,3, dann 11,4 und schließlich 11,9 Milliarden Euro. Insgesamt stiegen die deutschen Direktinvestitionen in China damit auf 135,6 Milliarden Euro; lediglich in den USA erreichten sie einen – allerdings beträchtlich – höheren Wert (409 Milliarden Euro im Jahr 2021). Der Grund für die Zunahme: Deutsche Unternehmen sind zur Zeit dabei, ihre äußerst lukrativen chinesischen Standorte krisenfest zu machen, und das heißt: Sie bereiten sich auf den schlimmsten Fall vor, nämlich ein Decoupling, bei dem die Standorte in der Volksrepublik auch ohne Zulieferungen aus dem Ausland voll arbeitsfähig sein müssen, bis hin zu Forschung und Entwicklung. Das erfordert Investitionen, die zur Zeit getätigt werden und die Statistik in die Höhe treiben.

Anders verhält es sich bei den bedeutenden ostasiatischen Investitionen – Investitionen aus Japan, Südkorea und vor allem Taiwan. Sie sind im vergangenen Jahr zum Teil ziemlich stark zurückgegangen; in Südkorea und Taiwan lagen sie so niedrig wie zuletzt Anfang der 2000er Jahre, und über Japan berichten Wirtschaftsmedien, die Wirtschaft des Landes habe gerade einmal 2,2 Prozent ihrer Auslandsinvestitionen in der Volksrepublik getätigt, was weniger sei als ihre Investitionen etwa in Indien oder in Vietnam und bloß ein Viertel ihrer Investitionen in Australien. Auch in den Vereinigten Staaten ist ein Rückgang zu beobachten. Das resultiert zum Teil daraus, dass Investitionen in bestimmte Hightechsektoren gar nicht mehr realisiert werden dürfen, weil Washington sie strikt untersagt hat, um China von bedeutenden Technologien abzuschneiden. Andererseits gibt es Branchen, die noch boomen – Fastfood und Cafés; McDonald’s, KFC und Starbucks weiten ihre Präsenz derzeit energisch aus. Tragfähige Wirtschaftsbeziehungen baut man darauf freilich kaum auf.

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