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Aus: Ausgabe vom 20.03.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Regulierung der Nutzung von KI

BRD für »schlanke Umsetzung« von »AI Act«

Bundesregierung will Spielräume zur Aushöhlung nutzen, um bei KI-Geschäften vorn mitzuspielen
Von Sebastian Edinger
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Betrachtet KI-Regulierung aus einer anderen Perspektive: Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP)

Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) ist kein Freund der KI-Regulierung, wie sie auf EU-Ebene gerade beschlossen wurde – seine Zuneigung gilt den hiesigen Tech-Kapitalvertretern, die möglichst ungestört von regulatorischen Grenzen Profite machen wollen. Schlanke Regelwerke à la USA, die darauf abzielen, einheimischen Digitalunternehmen Steine aus dem Weg zu räumen und ihnen öffentliche Aufträge und Subventionen zuzuschieben, sind eher nach seinem Geschmack. Besonders leidenschaftlich hatte Wissing sich gegen Regeln für große Sprachmodelle engagiert – kein Wunder, angesichts zahlreicher nachgewiesener Treffen und eines intensiven Austauschs von Regierungsvertretern mit Jonas Andrulis, dem Chef von Aleph Alpha – Deutschlands einziger Firma, die solche Modelle auf einem relevanten Niveau entwickeln kann.

Wissing wollte den Bereich ganz ausklammern und verwies auf einen unverbindlichen Kodex zur Selbstverpflichtung der Konzerne, der zwischen den G7-Staaten vereinbart wurde. Doppelregulierung müsse vermieden werden. Gemeinsam mit den Regierungen Frankreichs und Italiens hatte er Ende letzten Jahres einen Brief an die Ratspräsidentschaft verfasst und Druck gemacht, auf eine Regulierung großer Sprachmodelle zu verzichten. Und als Frankreich versuchte, auf den letzten Metern mit einer Sperrminorität das gesamte Gesetz erst mal zu kippen, um weitere Nachforderungen stellen zu können, war Wissing auf der Seite von Paris, konnte sich aber in der Bundesregierung nicht durchsetzen.

Nun blieb dem Digitalminister wenig anderes übrig, als den Beschluss des EU-Parlaments zu loben und den »AI Act« als »Grundlage für einen breiten, sicheren Einsatz von KI in unserem Land« zu bezeichnen. Gleichzeitig forderte er eine schlanke Umsetzung der Vorgaben aus Brüssel. Er wolle »maximale Spielräume für Innovationen nutzen«, stellte er in Aussicht. So will Wissing den einheimischen KI-Firmen »die beste Ausgangsbasis bieten, um bei KI-Innovationen ganz vorne mitzuspielen. Dazu gehört vor allem international anschlussfähig zu sein«. Auch aus den Reihen von Grünen und Union wurden nach dem Votum des EU-Parlaments zahlreiche Stimmen laut, die forderten, die Digitalwirtschaft so wenig wie möglich zu belasten.

Bei den Regeln für große Sprachmodelle haben Wissing und Co. allerdings nur überschaubare Spielräume, die neuen EU-Regeln auszuhöhlen, denn für deren Einhaltung ist das AI-Office zuständig, das innerhalb der EU-Kommission in Brüssel eingerichtet wird. Die Durchsetzung der Regeln für KI-Tools in Hochrisikobereichen wie dem Bildungssektor, der Arbeitswelt oder dem Finanzwesen hingegen obliegt den deutschen Behörden. In der BRD wurde hierzu noch nicht einmal festgelegt, welche Behörde diese Aufgabe übernehmen soll. Offensichtlich geeignet wären die unabhängigen Datenschutzstellen. Die politischen Entscheidungsträger neigen augenscheinlich eher zur weniger unbequemen Bundesnetzagentur.

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