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Aus: Ausgabe vom 19.03.2024, Seite 8 / Ansichten

Beschäftigte zahlen Zeche

Signa-Ausverkauf hat begonnen
Von Gudrun Giese
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Manager müssen den angerichteten Schaden nicht bezahlen, das darf die breite Masse der Menschen tun

Über Donald Trump kursiert die Witzfrage, wie er an sein kleines Vermögen gekommen sei. Antwort: Er hat ein großes geerbt. Bei René Benko, dem österreichischen Immobilienspekulanten und Gründer des Signa-Konzerns, ist der Fall anders gelagert, aber nicht besser. Mit dem Verbrennen von Geld, das ihm nicht gehört, kennt sich auch dieser Mann sehr gut aus. Am Montag fiel der Startschuss für den Ausverkauf der Herzstücke des Unternehmens, der Signa Prime Selection und der Signa Development Selection. Die eine Tochtergesellschaft hat 4,5 Milliarden Euro Schulden angehäuft, die andere 2,2 Milliarden. Weitere Teile des Unternehmens wie die Warenhausketten Galeria Karstadt-Kaufhof (GKK) und KaDeWe Group sind insolvent und sollen verkauft werden. Gigantische Immobilienprojekte wie der »Elbtower« in Hamburg und viele weitere liegen brach.

Zu sagen, dass die Entwicklung überraschend gekommen wäre, hieße, blind und taub durch die Welt gegangen zu sein. Denn Benkos »Wachstumsprinzip« basierte immer darauf, Immobilien – und Handelsunternehmen – günstig zu kaufen und mit minimalem Aufwand ihren »Wert« exorbitant durch die Marktentwicklungen bei Mieten sowie Immobilienpreisen zu steigern, und gleichzeitig von niedrigen Zinsen zu profitieren. Einige Jahre lang funktionierte das simple Umverteilungsmodell, was die Gier bei vielen weckte: Banken, Versicherungen, Fondsgesellschaften, aktive wie ehemalige Politiker und Superreiche wie der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne steckten enorme Summen in Signa-Investments – sehr gerne Geld, das anderen gehört, etwa Sparern, Versicherten oder allen Bürgern, die für dubiose GKK-Darlehen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Bundesregierung im Volumen von 680 Millionen Euro geradestehen müssen.

Seit das Signa-Konzept nicht mehr aufgeht, weil die Zinsen ebenso steigen wie die Baupreise für Großprojekte, gleichzeitig aber die Immobilienpreise sinken, rücken die Unterstützer von Benko ab. Die Geldhähne wurden zugedreht, von Freundschaft wollen viele nichts mehr wissen. Manager aus Banken, Fonds und Konzernen müssen den angerichteten Schaden ohnehin nicht aus eigener Tasche bezahlen. Das darf die breite Masse der Menschen tun, viele gleich mehrfach als Steuerzahler, Kunde bei einer Genossenschaftsbank oder einer Versicherung und schlimmstenfalls noch als Beschäftigte bei GKK oder einem Warenhaus der KaDeWe-Gruppe, deren Jobs durch die Signa-Pleite akut gefährdet sind. Benko selbst dürfte Teile des ergaunerten Geldes längst vor Gläubigern und Strafverfolgung in Sicherheit gebracht haben. Dank der Familienstiftungen, die auf die Namen von Ehefrau und Tochter laufen und im vergangenen Jahr rechtzeitig mit erheblichen Beträgen gefüttert wurden, kann das Leben im Luxus weitergehen. Auch mit einem »kleinen Vermögen«, siehe Donald Trump, lässt es sich bequem leben.

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  • Leserbrief von EAS aus Bergisch Gladbach (19. März 2024 um 07:49 Uhr)
    Guten Morgen, sehr guter Artikel, ohne die übliche Effekthascherei bzgl. Klüngel usw. Leider hinterlassen Insolvenzen in Eigenverwaltung oft ein »Geschmäckle«. Denn es gibt Unternehmer, die diesen Weg zur Umstrukturierung nutzen und ohne dabei lange Kündigungsfristen, Abfindungen und abgeschlossene Verträge berücksichtigen zu müssen. Die Zeche zahlen die Steuerzahler, Lieferanten und Mitarbeiter. Die zuständigen Gerichte können die Zahlen meist nicht wirklich prüfen, da entsprechend spezialisierte Rechtsanwälte die Firmen mit angepassten Strategien auf dem Papier »vor die Wand« fahren und stark verkleinert retten. Aufsichtsbehörden reagieren nicht oder zu langsam … Beispielhaft kann man hier einige Fälle aus Papierindustrie nennen.
  • Leserbrief von Lothar Glück aus München (19. März 2024 um 07:19 Uhr)
    Es gäbe da einen – zumindest theoretischen – Hebel: die »Haftung der Aktionäre« auf die Höhe Ihrer Aktienbeteiligung, und rückwirkende Rückzahlung der ausgeschütteten Dividenden. Haufe wies darauf hin: Ausnahmsweise Haftung der Aktionäre. Nur ausnahmsweise kommt eine Haftung der Aktionäre für Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Betracht, dann nämlich, wenn die Ausnutzung der rechtlichen Selbstständigkeit der juristischen Person mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht im Einklang steht und einen Rechtsmissbrauch bedeutet. https://www.haufe.de/finance/haufe-finance-office-premium/aktiengesellschaft-11-einfuehrung-persoenliche-haftung-der-aktionaere-als-ausnahme_idesk_PI20354_HI7026311.html
    Wie wäre die Sachlage, wenn das Benko/Signa-Geschäftsmodell von Anfang an auf rechtlich fragwürdigen Säulen ruhte, wonach es erscheint, als ob es bei KKG niemals um die Fortführung eines geordneten Geschäftsbetriebes gegangen sein könnte, sondern lediglich um die Finanzialisierung z. B. der Namensrechte, und darum, durch Erhöhung der Mieten, die von den Unternehmen wohl nicht erwirtschaftet werden konnten, und damit mittelfristig in die Insolvenz führen, sowie durch Ausschöpfung von Bewertungsspielräumen durch Höherbewertung von Immobilien entsprechende Bank-, aber auch Staatskredite zu erhalten, mit dem Ziel nach erfolgter Luxussanierung eine gewinnbringende Vermarktung der Objekte? Insbesondere auch eine Würdigung, wie die mehrfach verschachtelten Bilanzen, die angeblich selbst für Fachleute schwer durchschaubar sein sollen, mit dem Bilanzgrundsätzen von »Klarheit und Wahrheit« in Einklang zu bringen sind, und damit wiederum dem Grundsatz von Treu und Glauben korrespondieren und möglicherweise gegen ihn verstoßen. Eine entsprechende juristische Betrachtung darüber könnte sehr aufschlussreich sein, ob das geltende Recht diese und ähnliche »Geschäftsmodelle« zu Lasten der Gläubiger, der Mitarbeiter und der Allgemeinheit grundsätzlich zulässt.

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