4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 18.03.2024, Seite 8 / Inland
18. März in der BRD

»Das Band der Solidarität darf nicht abreißen«

Zum Tag der politischen Gefangenen bundesweit Veranstaltungen der Roten Hilfe. Ein Gespräch mit Rebekka Hübner
Interview: Hendrik Pachinger
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»Freiheit für alle politischen Gefangenen«: Demonstration vor der Justizvollzugsanstalt Stadelheim, München (13.3.2024)

In mehreren Städten bundesweit werden an diesem Montag Menschen auf die Straße gehen. Anlass ist das Datum 18. März, der Tag der politischen Gefangenen. Was ist alles geplant?

In vielen Städten finden Kundgebungen und Demonstrationen statt, um auf die Situation der politischen Gefangenen aufmerksam zu machen. Im alltäglichen Kampf gegen die herrschenden Verhältnisse werden häufig diejenigen vergessen, die für ihr Engagement inhaftiert sind. In manchen Städten finden sogar Wochen gegen Repression statt, so in Bremen. Dort wird es neben einer Demonstration auch Veranstaltungen zum PKK-Verbot sowie eine Feier mit dem entlassenen Langzeitgefangenen Thomas Meyer-Falk geben. In Stuttgart gibt es eine zweitägige Konferenz zu Repression und politischen Prozessen. Hier in Nürnberg werden wir den Tag mit einer Kundgebung am Jamnitzer Platz begehen. An kaum einem anderen Ort in der Stadt lässt sich Vertreibung besser beobachten. Daher ist der Platz auch entsprechend umkämpft und unser Genosse Jan musste 2021 stellvertretend für diesen Widerstand als politischer Gefangener ins Gefängnis.

Das »Netzwerk der politischen Gefangenen« spricht von derzeit 25 Betroffenen in der BRD. Verschärft sich die Situation?

Was vor einigen Jahren noch undenkbar war, wird nun erwogen: So gab es vor einigen Jahrzehnten in Nürnberg eine Hausbesetzung in der Rohrmannstraße. Bei der Räumung kam es zu großen Tumulten, und jemand warf aus einem hohen Stockwerk Flaschen und Steine auf die Beamten. Vor Gericht wurde die Person zu Sozialstunden und einer kleinen Geldstrafe verurteilt. Die Person hatte angegeben, kurz vorher entlassen worden zu sein, und sie habe sich daher extrem stark alkoholisiert. Unser Genosse Jan hingegen wurde für den Widerstand gegen Polizeikontrollen auf dem Jamnitzer Platz schuldig gesprochen. Es gab zwar erhebliche Zweifel, ob er am Tag selbst überhaupt in Nürnberg war, dennoch wurde er für das reine Anschreien einer Polizistin zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Schwelle, ab wann etwas kriminalisiert wird, verschiebt sich sehr stark.

Die mediale Inszenierung des »Kampfes gegen Linksextremismus« fand mit der Verhaftung Daniela Klettes ihren vorläufigen Höhepunkt. Was wird auf die politische Linke zukommen?

Die Herrschenden geraten aufgrund der sich zuspitzenden gesellschaftlichen Verhältnisse in immer unsichere Bahnen. Mit ihren Sozialkürzungsplänen, der katastrophalen Wirtschaftspolitik und einer internationalen Isolation schaffen sie die Basis für massenhafte Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Damit dieser Unmut einer linken Bewegung nicht allzu großen Zulauf verschafft, soll diese ins gesellschaftliche Abseits gestellt werden. Die Unterwerfung, die die herrschende Klasse uns abverlangt, wird immer mehr gesteigert: Wer in Medien und Politik Gehör finden will, muss sich zunächst mal von Putin, der RAF, der Hamas und den Klimaklebern distanzieren. Wir müssen davon ausgehen, dass man uns zukünftig noch zu anderen Bekenntnissen zwingen will, weil andernfalls Fördermittel gestrichen, Räume verweigert oder auch Geldstrafen verhängt werden.

Der diesjährige 18. März fällt mit dem Jubiläumsjahr der Roten Hilfe zusammen.

In vielen Städten konnten beide Termine recht schön miteinander verbunden werden. In Trier gibt es die Vorführung des eigens gedrehten Films zu 100 Jahren Rote Hilfe. Andernorts wird eine Ausstellung zur Geschichte unserer Organisation gezeigt.

In Ihrem Aufruf zitieren Sie Bert Brecht: »Wer im Stich lässt seinesgleichen, lässt ja nur sich selbst im Stich«. Was wollen Sie damit sagen?

Im täglichen Kampf für die Befreiung unserer Klasse verlieren sich viele Linke in Sektierertum und Spalterei. Häufig ist zu hören, dass die Repression gegen andere einen selbst schon nicht treffen wird. Das ist ein Irrtum, denn nur eine linke Bewegung, die sich gegenseitig stützt und Raum für Fehler lässt – ohne das Band der Solidarität abreißen zu lassen! –, kann siegreich sein.

Rebekka Hübner ist Sprecherin der Roten-Hilfe-Ortsgruppe Nürnberg – Fürth – Erlangen

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