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Aus: Ausgabe vom 18.03.2024, Seite 6 / Ausland
Argentinien

Milei holt Washington ins Boot

Abkommen unterzeichnet: US-Armee soll auf Argentiniens wichtigster Wasserstraße eingesetzt werden
Von Frederic Schnatterer
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Hier sollen bald US-Soldaten patrouillieren: Wasserstraße Paraná-Paraguay in Santa Fe (9.3.2023)

Die Opposition spricht von einem »Angriff auf die nationale Souveränität«: Wie die argentinische Tageszeitung Página 12 vergangene Woche berichtete, hat die Allgemeine Hafenbehörde des Landes (AGP) eine Absichtserklärung unterzeichnet, laut der Angehörige der US-Streitkräfte auf der Wasserstraße Paraná-Paraguay eingesetzt werden sollen. Die Wasserstraße ist ein fast 3.500 Kilometer langer Korridor der Flüsse Paraná und Paraguay, der für die gesamte Region von sowohl wirtschaftlicher als auch strategischer Bedeutung ist.

Offiziell geht es bei dem Abkommen vor allem um technische Assistenz. So heißt es darin: »Das Abkommen wird einen intensiveren Informationsaustausch zwischen den beiden Verwaltungen ermöglichen, wobei der Schwerpunkt auf der Effizienz und der Durchführung neuer Ausbildungsmaßnahmen unter anderem in den Bereichen Hafen- und Wasserstraßenmanagement, Aufrechterhaltung der Schiffahrt und des ökologischen Gleichgewichts sowie der Entwicklung der Infrastruktur liegt.«

Nach der Unterzeichnung erklärte der Leiter der AGP, Gastón Benvenuto, das Abkommen ermögliche, »das technische Expertenwissen« der USA für »das Ressourcenmanagement, die Baggersysteme, die Markierung der Wasserwege sowie die Ausbildung von technischem Personal« zu verbessern. Der US-Botschafter in Argentinien, Marc Stanley, fügte hinzu, es handle sich um ein »perfektes Beispiel dafür, wie unsere Länder Technikexperten zusammenbringen können, die das Management unserer kritischen Infrastrukturen verbessern«.

Die Wasserstraße ist die wichtigste des Landes. Über sie werden fast alle argentinischen Exporte transportiert. Vertreter der Opposition kritisieren insbesondere, dass das Abkommen völlig intransparent zustande gekommen sei. So erklärte der Abgeordnete des peronistischen Frente de Todos für die Provinz Santa Fe, Eduardo Toniolli, niemand sei über die Anwesenheit der Mitglieder des Außen- oder des Verteidigungsministeriums in der Region informiert worden. Auch sei kein Antrag auf Einreisegenehmigung für Angehörige ausländischer Truppen beim Nationalkongress gestellt worden, »obwohl es das Gesetz 25.880 so vorsieht«.

Mehr als 80 Prozent der argentinischen Exporte laufen über Paraná-Paraguay, insbesondere landwirtschaftlicher Produkte. Das Abkommen kann als Versuch der USA gesehen werden, diesen Markt besser zu kontrollieren – nicht zuletzt, um die chinesische Konkurrenz auszustechen. Noch 2022 war der Vorstoß Paraguays, ein ähnliches Abkommen mit den USA auszuhandeln, bei Argentinien auf heftigen Widerstand gestoßen.

Der Schritt steht im Einklang mit der Neuausrichtung der argentinischen Außenpolitik unter Javier Milei. Seit der sich als »Anarchokapitalist« bezeichnende Politiker im Dezember 2023 die Regierungsgeschäfte übernommen hat, setzt er auf eine enge Kooperation mit »dem Westen«. Unter Mileis Vorgänger Alberto Fernández hatte sich das Land hingegen in Richtung Beijing orientiert. Die Volksrepublik China ist nach Brasilien der zweitwichtigste Handelspartner des Landes. Auch plante die Fernández-Regierung den Eintritt in den BRICS-Staatenbund zum 1. Januar 2024.

Milei hatte im Wahlkampf rhetorisch scharf gegen China geschossen. Die Regierenden in Beijing bezeichnete er als »mörderische Kommunisten« und versprach den Abbruch aller Beziehungen zur Volksrepublik. Davon kann seit seinem Amtsantritt allerdings keine Rede sein. Zwar kündigte Milei Argentiniens BRICS-Beitritt auf. Trotzdem betonen Vertreter beider Regierungen regelmäßig, wie viel ihnen an guten Beziehungen gelegen ist – zuletzt bei einem Treffen im Februar.

Doch nicht nur für legale Produkte ist die Wasserstraße Paraná-Paraguay von großer Bedeutung. Auch Drogen und insbesondere Kokain werden vermehrt über sie in Richtung Europa verschifft. Zuletzt eskalierte in der Millionenstadt Rosario die Gewalt durch im organisierten Verbrechen aktive Banden, die dort um Vorherrschaft kämpfen. Nach mehreren Morden an Zivilisten kündigte Sicherheitsministerin Patricia Bullrich an, Militärs in die drittgrößte Stadt des Landes zu schicken.

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