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Aus: Ausgabe vom 18.03.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Linke Gefangene

»Deshalb bin ich in den Hungerstreik getreten«

JVA Tegel in Berlin: Anstaltsleitung weigert sich, Rote-Hilfe-Zeitung und Gefangenen-Info auszuhändigen. Ein Gespräch mit Andreas Krebs
Von Annuschka Eckhardt
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Trostlos: Die Justizvollzugsanstalt Tegel in Berlin

Sie sind wohl der einzige Gefangene in der Berliner Justizvollzugsanstalt Tegel, der nicht malen und basteln darf. Warum?

Die Mal- und Bastelgenehmigung wurde mir versagt, da »die Utensilien geeignet sind, linksextremistische Propaganda und Agitation zu unterstützen, indem Zeichen Symbole oder Aufrufe großflächig auf Papier oder Leinwand gebracht werden, um sie sichtbar aufhängen zu können, beziehungsweise demonstrativ mitführen zu können«, so begründete die Anstaltsleitung es. Das ist eine bodenlose Frechheit, mit Rechten und Reichsbürgern springen die hier nicht so um. Warum fürchten sie meine Zeichnungen so?

Mal- und Bastelutensilien sind nicht die einzigen Dinge, die Ihnen von der Anstaltsleitung verwehrt werden. Warum waren Sie in den letzten Wochen mehrfach im Hungerstreik?

Ich habe mehrere Anträge geschrieben, für den Bezug der Zeitschrift Gefangenen Info und der Rote-Hilfe-Zeitung. Ich bekam nie eine Antwort von der Anstaltsleitung, deshalb bin ich am 28. Januar in den Hungerstreik getreten. Daraufhin gab es einige Gespräche, in denen die Leitung mir den Bezug der Zeitschriften zusicherte. Allerdings durchgeschaut und gegebenenfalls zensiert und mit der strikten Anweisung, dass ich sie keinem Mitgefangenen zeigen darf. Wenn jemand in meine Zelle kommt, müsse ich die Zeitung verdeckt halten.

War der Hungerstreik erfolgreich?

Eher nicht. Ich hab' ihn nach einigen Wochen beendet. Die Leitung hatte mir den Bezug mehrfach zugesagt, doch bekam ich keins der beiden Blätter ausgehändigt. Um dagegen zu protestieren, bin ich erneut in den Hungerstreik getreten. Vergangenen Sonntag ging es mir jedoch gesundheitlich so schlecht, dass ich den Hungerstreik abbrechen musste. Die Zeitschriften habe ich immer noch nicht, statt dessen verstetigt sich das Gefühl, dass die Anstaltsleitung mich aufgrund meiner klaren linken politischen Haltung schikaniert! Auch wenn ich gerade aus gesundheitlichen Gründen den Hungerstreik abbrechen musste, gebe ich nicht auf.

Welche anderen Probleme sehen Sie in der JVA Tegel?

Die JVA Tegel ist ein Drogenumschlagplatz! Es gibt kein Gefängnis ohne Drogen, das ist mir klar, aber die Zustände hier sind erschreckend. Besonders das sehr starke Opioid Subutex ist hier im Umlauf, eine ­Flasche Jack Daniels kostet 100 Euro. Viele Gefangene torkeln völlig sediert umher. Das kann nur gewollt sein: Von sedierten Gefangenen geht kein politischer Widerstand aus. Sie wollen keine Menschen, die Anträge auf gerichtliche Entscheidungen stellen oder generell protestieren.

An diesem Montag ist der Tag der politischen Gefangenen. An wen denken Sie?

Ich weiß, was Daniela Klette jetzt gerade durchmacht. Sie braucht jede Solidarität und Anteilnahme. Ich gehe davon aus, dass sie isoliert wird. Sie steht unter immensem psychischen Druck, denn sie ist jetzt sicherlich mit einer weitreichenden Kontaktsperre belegt und wird komplett überwacht. Ich habe vergangene Woche einen Brief abgegeben für sie, in dem ich ihr viel Kraft wünsche. Hoffentlich wird er sie erreichen.

Beziehen Sie andere Zeitungen?

Ich habe die junge Welt abonniert. Ich erhalte sie zwar nicht jeden Tag – dann weiß ich nicht, ob es an der Post oder an der Anstaltsleitung liegt – aber doch regelmäßig.

Andreas Krebs ist Gefangener in der JVA-Tegel

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