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Aus: Ausgabe vom 18.03.2024, Seite 1 / Titel
Krieg in Osteuropa

Wahl mit Störungen

Abstimmung zur Präsidentschaft in Russland: Ukraine beschießt Raffinerien und Städte. Gegenangriffe Moskaus auf grenznahe Dörfer
Von Reinhard Lauterbach
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Zerstörte Küche in einem Wohnhaus in der russischen Stadt Belgorod nach einem ukrainischen Angriff am Sonntag

Die Ukraine hat das ganze Wochenende über Drohnen auf Ziele in Russland abgefeuert. Unter Beschuss lagen sowohl das grenznahe Belgorod als auch Ziele in Moskau und darüber hinaus. Insbesondere wurden offenbar mehrere Ölraffinerien in der Region Kuibyschew an der mittleren Wolga und eine im südrussischen Bezirk Krasnodar getroffen. Über Moskau wurden nach russischen Angaben mehrere Drohnen abgeschossen. Der Flugverkehr auf mehreren Flughäfen wurde kurzzeitig unterbrochen. Ebenso war am Sonntag morgen die Krimbrücke für etwa eine Stunde gesperrt. Nach den ukrainischen Angriffen auf grenznahe Regionen Russlands beschoss die russische Armee am Sonntag morgen das Grenzdorf Welyka Pyssariwka im nordukrainischen Bezirk Sumy und beschädigte offenbar mehrere Gebäude. Die Washington Post berichtete in einer Reportage aus Belgorod, dass der ukrainische Beschuss die Bewohner eher in ihrer Absicht bestärkt habe, für Wladimir Putin zu stimmen.

Unterdessen hat Kiew die vor wenigen Tagen von ihrem Territorium aus nach Russland vorgedrungenen Angreifer praktisch abgeschrieben. Kyryło Budanow, Chef des Militärgeheimdienstes GUR, sagte am Sonnabend, die Russen würden auf ihrer Seite der Grenze operieren, »solange ihre Kräfte ausreichen«. Es sei eine innerrussische Angelegenheit. Budanows Äußerungen bestätigen indirekt russische Angaben, wonach die Angreifer unter hohen eigenen Verlusten zurückgeschlagen worden seien. Demnach wurden die Angriffe mit insgesamt etwa 2.500 Kämpfern gestartet. Das Moskauer Verteidigungsministerium teilte nun mit, 1.500 dieser Kämpfer seien getötet oder verletzt worden. Eine unabhängige Bestätigung dieser Zahlen gibt es nicht. Heraus kam statt dessen, dass ein am Donnerstag von der Legion »Freiheit Russlands« verbreitetes Video, das ihre Kämpfer im russischen Grenzdorf Tjotkino zeigen sollte, in Wahrheit vorab auf der ukrainischen Seite der Grenze gedreht worden war. Auf dem Video war von dem behaupteten intensiven Beschuss nichts zu hören.

Unklar ist auch die Zahl der Opfer eines russischen Raketenbeschusses in Odessa am Freitag. Während russische Medien von bis zu 550 getöteten Angehörigen einer paramilitärischen Polizeieinheit sprachen, darunter zwei Generäle, sprach man auf ukrainischer Seite von 21 Opfern. Es wurde allerdings bestätigt, dass unter ihnen mehrere hohe Offiziere gewesen seien. Die lokale Seite dumskaja schrieb, die Veranstalter des Treffens hätten offenkundig nicht damit gerechnet, dass mit Russland sympathisierende Personen die Koordinaten des Versammlungsortes dorthin durchgegeben hätten.

Am Sonnabend legten ukrainische Hacker nach eigenen Angaben das russische System zur Onlinestimmabgabe bei der Präsidentenwahl lahm. Eine direkte Bestätigung von Moskau gibt es dafür nicht, eine indirekte lässt sich jedoch aus einer Meldung der Wahlkommission aus der Nacht zum Sonntag herauslesen, wonach die Beteiligung bei der Onlinewahl bei 99,9 Prozent liege – was man so interpretieren kann, dass es ab sofort zwecklos ist, auf diesem Weg seine Stimme abzugeben. Anhänger der Bewegung des verstorbenen Oppositionellen Alexej Nawalny posteten unterdessen Bilder von jeweils einigen hundert Menschen, die dem Aufruf gefolgt seien, beim »Mittag gegen Putin« um 12 Uhr Ortszeit organisiert die Wahllokale aufzusuchen. Ob sie dort auch, wie aufgerufen, geschlossen ungültige Stimmen abgeben konnten, geht aus den Videos nicht hervor.

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