Tropfen auf den heißen Stein
Von Wiebke DiehlUngeachtet internationaler Kritik hält die israelische Regierung an ihren Plänen für eine Offensive in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens fest. Das bekräftigte Verteidigungsminister Joaw Gallant während eines Truppenbesuchs in Gaza am Mittwoch. Ein Großteil der sich direkt an der Grenze zu Ägypten aufhaltenden Menschen soll, so die israelische Zeitung Times of Israel am Mittwoch, vor einer Militäroperation auf »humanitäre Inseln« im Zentrum des abgeriegelten Gazastreifens gebracht werden. Von dort und aus dem Norden der Küstenenklave waren sie zuvor auf Geheiß der israelischen Armee in den angeblich sicheren Süden geflohen. In Rafah suchen derzeit etwa 1,5 Millionen Menschen auf engstem Raum Schutz, viele davon unter aus Plastikplanen selbstgebauten »Zelten«.
Die US-Administration unterstützt, wie das Nachrichtenmagazin Politico am Mittwoch berichtete, »gezielte Antiterroreinsätze in Rafah« und will – nicht zuletzt aufgrund des zunehmenden Drucks aus ihrer Bevölkerung – Premierminister Benjamin Netanjahu von einer Offensive abbringen. Am Wochenende hatte US-Präsident Joseph Biden im Interview mit dem TV-Sender MSNBC erklärt, dass eine israelische Invasion der Stadt für ihn eine »rote Linie« darstellen würde. Die »Verteidigung Israels« sei jedoch »von entscheidender Bedeutung«, weshalb es »keine rote Linie« gebe. Dass »gezielte« Angriffe in einer völlig überfüllten Stadt nur eine Illusion sind, zeigte sich ebenfalls am Mittwoch: Bei einem »präzisen« Angriff auf den Hamas-Kommandeur Mohammad Abu Hasna traf ein israelischer Kampfjet ein Zentrum des UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge UNRWA zur Verteilung von Lebensmitteln und Hilfsgütern. Mindestens ein UNRWA-Mitarbeiter wurde dabei nach Angaben der Organisation getötet, 22 weitere wurden verletzt. Nach Angaben der Gesundheitsbehörden im Gazastreifen kamen bei dem Angriff fünf Menschen ums Leben.
UNRWA-Chef Philippe Lazzarini forderte eine unabhängige Untersuchung wiederholter israelischer Angriffe auf UNRWA-Ziele. Man gebe die Koordinaten der Einrichtungen des Hilfswerks täglich an Israel weiter. Attacken auf UN-Einrichtungen, Konvois und Personal seien aber seit Beginn des Kriegs zur Gewohnheit geworden. Mittwoch abend wurden nach Augenzeugenangaben am Kuwait-Kreisverkehr im Norden von Gaza-Stadt erneut Menschen getötet, die auf die Ankunft von Hilfsgütern warteten. Israelische Soldaten sollen unvermittelt das Feuer auf die Wartenden eröffnet und dabei sechs Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt haben.
Hilfsorganisationen warnen vor einer schweren Hungersnot im Gazastreifen, den Israel nach dem 7. Oktober von Treibstoff, Trinkwasser, Nahrungsmitteln, Medikamenten und medizinischem Gerät abgeschnitten hat. Am Donnerstag wurde im Hafen von Larnaka auf Zypern ein zweites Schiff mit 300 Tonnen Nahrungsmitteln beladen. Wann das Schiff in Richtung Gazastreifen aufbrechen soll, blieb allerdings offen. Ein erstes Schiff mit 200 Tonnen Hilfsgütern hatte am Dienstag mit einigen Tagen Verzögerung Zypern verlassen und nähert sich aktuell dem Gazastreifen. Wo die Schiffe anlegen und die dringend benötigten Lebensmittel abladen sollen, bleibt weiter unklar. Der von den USA versprochene Bau eines »schwimmenden Hafens« wird vermutlich Wochen oder gar Monate in Anspruch nehmen.
Noch in dieser Woche soll sich die deutsche Luftwaffe an dem weit teureren und ineffizienten und für die Bevölkerung gefährlichen Abwurf von Hilfspaketen über dem Küstenstreifen beteiligen, wie am Mittwoch bekannt wurde. Dafür sollen zwei Transportflugzeuge eingesetzt werden, die jeweils Lasten von bis zu 18 Tonnen transportieren können. Wie Hilfsorganisationen seit Wochen übereinstimmend erklären, können allerdings weder Seetransporte noch der Abwurf von Hilfsgütern die fehlenden Lieferungen der von Israel blockierten Lkw wettmachen. Nach Angaben der Hilfsorganisation »International Rescue Committee« erreichten den Gazastreifen im gesamten Februar lediglich 2.300 Lastwagenladungen. Benötigt würden aber mindestens 500 pro Tag.
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Leserbrief von Gion Honegger aus Zürich (16. März 2024 um 00:07 Uhr)So hält »die israelische Regierung an ihren Plänen für eine Offensive in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens fest«. Das ist nicht weiter verwunderlich. Wenn man die ganze Geschichte der zionistischen Vertreibung der Palästinenser:innen seit den 1930er Jahren ansieht (u. a. in den Dokumenten des Autors Ilan Pappé, sowie aus den Analysen des ehem. Schweizerischen Botschafters Kurt O. Wyss), dann haben alle (!) Politiker:innen des Zionismus nur eines gewollt und vorangetrieben: Die totale Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung, um dieses Gebiet – vom Jordan bis zum Meer, wie es auch in den Gründungsstatuten des Likus steht! – vollständig in Besitz zu nehmen und zu besiedeln! Die israelische Armee IDF hat immer die Ideologie der Haganah-Terrororganisation verinnerlicht. Das heutige Rafah ist das frühere Jaffa von 1947, Gaza das Kisah und Deir Jassin von 1948. (…) Mit den ewigen kolonialistisch/imperialistischen Verbündeten GB, F, USA, BRD. Stopp diesen Terror, bekämpfen wir diese imperialistische BRD der Scholz’ und Baerbocks!
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