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Aus: Ausgabe vom 14.03.2024, Seite 8 / Inland
Wohnraum versus Erholungsgebiete

»Bei den Plänen ist klar, dass das Grün verschwindet«

NRW: Bürgerinitiative will Versiegelung von ehemaligem Zechengelände in Oberhausen verhindern. Ein Gespräch mit Jens Carstensen
Interview: Henning von Stoltzenberg
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Einfach mal die Häuser grün anmalen, statt Grünflächen zu erhalten

Ihre Initiative hat sich gegründet, um in Oberhausen die Grünfläche des Geländes der Zeche Sterkrade im jetzigen Zustand zu erhalten. Was befindet sich denn dort?

Das endgültige Aus des Betriebes war im Juni 1992. Das Gelände wurde sich selbst überlassen und hat sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte zu einem viel genutzten Naherholungsgebiet entwickelt. Über dieses Gelände verläuft zum Beispiel die HOAG-Trasse (Hüttenwerke Oberhausen Aktien Gesellschaft, jW). Das ist eine für Fahrräder und Fußgänger hergerichtete Strecke, die einst dem Eisenbahnverkehr der Schwerindustrie diente. Auf dem Gelände befindet sich der Förderturm der Zeche. Der Schacht wurde 2005 zum Industriedenkmal und es finden dort regelmäßig Führungen statt. Eine Gedenkstätte für die Zwangsarbeiter befindet sich westlich des Förderturms, die durch eine Initiative der Linkspartei in Oberhausen entstanden ist.

Auch ein Amphibienschutzhabitat für die in Deutschland stark gefährdete Kreuzkröte ist entstanden. Dieses Areal wird auch für seltene Bodenbrüter frei gehalten. Auf der gesamten Fläche haben sich mit der Zeit auch weitere naturnahe Wege durch Spaziergänger entwickelt. Diese führen zum Beispiel durch einen kleinen Birkenhain. Es ist die letzte größere Grünfläche des Wohngebietes.

Welche Pläne hegen Stadtverwaltung und Investoren?

Der größte Grundstückseigentümer ist die Ruhrkohle AG, gefolgt von der Thelen-Gruppe (Immobilienunternehmen aus Essen, jW), der Stadt Oberhausen sowie der Deutschen Bahn. Sie möchten das Gelände für eine Wohnbebauung nutzen. Der Oberbürgermeister der Stadt, Daniel Schranz von der CDU, möchte höherwertigen Wohnraum schaffen. Sie werben damit, dass Wohnen, Arbeiten und Grünes zusammen gedacht werden. Bei den Plänen ist jedoch klar, dass das Grün verschwindet.

Oberhausen fehlt bezahlbarer Wohnraum und viele Menschen sind ohne Erwerbsarbeit. Braucht es da nicht einfach mehr Wohnflächen und auch Gewerbeansiedlungen?

Gemäß einer Studie, die vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft 2018 in Auftrag gegeben wurde, liegt Oberhausen deutschlandweit an Platz zwei der Städte mit starker Flächenversiegelung. Nur München ist noch versiegelter. Nicht Berlin, Köln oder Hamburg – Oberhausen. Besonders in unserem Viertel ist fast das gesamte Grün verloren gegangen. Weitere 5.000 Bäume sollen gefällt werden, damit das Autobahnkreuz Oberhausen mit der A 2, A 3 und der A 516 ausgebaut werden kann. Der städtische Umweltbericht aus dem Jahr 2019 weist die Wichtigkeit des Geländes für die Frischluftzufuhr nach. Seit 2019 wurde weiteres Gelände in unserem Wohngebiet versiegelt für das Edeka-Zentrallager, Amazon und andere Unternehmen. Es reicht einfach. Es gibt kein Argument, das letzte Grün auch noch zu vernichten.

Wie wollen Sie für politische Mehrheiten für den Erhalt der Grünfläche sorgen?

Es gibt eine theoretische Mehrheit im Rat aus SPD, Grünen und Linken. Von Anfang an hat die Linke die Bürgerinitiative unterstützt. Die Grünen waren anfangs geteilter Meinung, jetzt scheinen sich diejenigen durchzusetzen, die ebenfalls keine Bebauung wünschen. Der SPD muss klargemacht werden, dass sie viel zu verlieren hat, schließlich sind nächstes Jahr Kommunalwahlen. Und auch innerhalb der CDU soll es kritische Stimmen geben. Durch außerparlamentarische Aktivitäten wollen wir Bürgerinnen und Bürger erreichen. Die ersten Aktionen waren vielversprechend, die Resonanz auf den ersten Infostand auf dem Markt in Oberhausen-Sterkrade war überwältigend.

Der Stadtrat soll am kommenden Montag tagen und das sogenannte Leitbild des Projektes vorstellen. Ist dieser Prozess aus Ihrer Sicht denn noch aufzuhalten?

Das sogenannte Leitbild würde auch den Erhalt des Grüns ermöglichen. Wird ein Bebauungsplan verabschiedet, dann ist es vorbei. Die »Bauwilligen« wollen im Herbst den Plan im Rat beschließen, bis dahin müssen wir eine politische Mehrheit dagegen gewinnen.

Jens Carstensen ist Mitglied des Sprecherkreises der »Bürgerinitiative Zeche Sterkrade«

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