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Exile on Paola Street

Von Andreas Gläser
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Seit der Einführung der Champions League ist man Unterklasse: Paola auf Malta

Sonntag nachmittag auf Malta. Ich will in Paola als einer der ersten Urlauber des Jahres den Rekordmeister und Wiederaufsteiger Sliema Wanderers gegen Santa Lucia FC sehen. Als ich ein Bier ordere, bekomme ich ein Malzgetränk namens Pony. Immerhin haben wir frühlingshafte 17 Grad. Der Himmel über uns ist so grau wie das Meer rund um diese Viererinselgruppe, die insgesamt nur so groß wie Westberlin sein soll. Bevölkert ist die Hauptinsel überwiegend an der Nordküste, wo nahezu alle Vereine der 14er Liga ansässig sind. Kein Problem. Hauptsache es steigt kein Verein der komischen Nachbarinsel Gozo auf.

Ein frischer Wind weht über den Rasen des 8.000 Zuschauer fassenden Tony-Bezzina-Stadions, der Heimstätte des amtierenden Meisters Hibernians FC, der nun im Mittelfeld der Premiere League rangiert. Die Insulaner sind friedliebend, können aber heißblütig reagieren, zumal auch an diesem Sonntag je zwei Spiele hintereinander stattfinden, im 13 Kilometer entfernten Ta’Qali, im Nationalstadion, und im hiesigen Tony – jeweils um 14 Uhr und um 16.15 Uhr. Unter den von mir geschätzten 3.000 Anwesenden gehe ich als Neutraler durch. Touristen sind willkommen. Als Deutscher bekomme ich von Malta durchschnittlich sogar die meisten Punkte beim europäischen Sangeswettbewerb zugesprochen, der hier heißer gehandelt wird als die Qualirunden für die Champions League. Ja, früher, im EC der Landesmeister, trat man standesgemäß in Runde eins an, doch seit der Einführung der Champions League ist man Unterklasse, ähnlich wie beim Eintritt in die EU.

Jetzt in Paola hält der Großteil der Fans zu den Wanderers. Man ist gut drauf, obwohl man nicht, wie bis vor kurzem als Challenge-League-Vertreter, im heimischen Sliema spielen darf, auf dem Dach eines Kaufhauses. Nun sind die Wanderers Dritter in der Ersten, und da geht noch mehr, auch wenn Tabellenführer Ħamrun Spartans sein 14-Uhr-Spiel gegen FC Mosta 4:0 gewann. Sliema gegen Santa Lucia wird eine Viertelstunde später angepfiffen. Ich frage meinen Nachbarn, warum. Er will wissen: »You are German?« – »Yes.« – »Haha, you’re welcome.« Hauptsache nicht vom ewigen Rivalen und derzeit Tabellenzweiten Floriana FC oder von Gozo. Dass die Wanderers wieder Meister werden, scheint möglich, denn in Sliema steht nicht nur mein Hotel, sondern auch das höchste Gebäude der Inselgruppe, der Tower eines Wettspielanbieters. Das Spiel gegen den Abstiegskandidaten Santa Lucia zieht sich anfangs etwas. Es geht torlos in die Pause, am Ende gewinnt der Favorit 3:1. Nächstes Wochenende folgt das Old Firm Derby gegen Floriana FC.

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