4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 12.03.2024, Seite 16 / Sport
Radsport

Viel mehr als nur Formaufbau

Es wird ernst im Radsportfrühjahr: So verliefen die 59. Austragung von Tirreno–Adriatico und das 82. Paris–Nizza
Von Holger Römers
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Kurzer Prozess in den Bergen: Jonas Vingegaard (im blauen Trikot) machte beim Tirreno ernst (10.3.2024)

Erfreulicherweise streuen die besten Klassementfahrer im Straßenradsport der Männer ihre Gewinnabsichten wieder breiter, statt sich – wie ein, zwei trübe Jahrzehnte üblich – nur auf die Grand Tours und deren unmittelbare Vorbereitungsrennen zu fokussieren. Das heißt zum Beispiel, dass Jonas Vingegaard (Team Visma – Lease a Bike) schon zu Saisonbeginn voll auf Sieg ging. So hat der Tourgewinner der letzten beiden Jahre Ende Februar zum zweiten Mal in Folge sowohl die Gesamtwertung von O Gran Camiño für sich entschieden als auch drei von vier Etappen. So war abzusehen, dass der 27jährige Däne nun auch sein erstes Saisonrennen der World-Tour-Kategorie nicht als zwanglose Gelegenheit zum Formaufbau behandeln würde.

Zunächst blieb Vingegaard beim 59. Tirreno–Adriatico im von Juan Ayuso (UAE Team Emirates) gewonnenen Auftaktzeitfahren hinter den Erwartungen zurück. An den drei Folgetagen hielt er sich wie am abschließenden Sonntag selbstredend aus den Massensprints heraus, bei denen sich zweimal der 23jährige Italiener Jonathan Milan (Lidl-Trek) durchsetzte, sowie einmal der drei Jahre ältere Niederländer Jasper Philipsen (Alpecin-Deceuninck), also die letzten Sieger in der Punktewertung des Giro d’Italia beziehungsweise der Tour. Einen vierten Sprint sicherte sich indes der 29jährige deutsche Routinier Phil Bauhaus (Bahrain-Victorious).

Auf der ersten Bergetappe machte Vingegaard mit der Konkurrenz aber kurzen Prozess, indem er seine Mannschaft am schwersten Anstieg ein Höllentempo vorlegen ließ und dann 29 Kilometer solo zum Tagessieg fuhr. Mit knapp einer Minute Vorsprung in der Gesamtwertung konnte er am Sonnabend wiederum eine Gelegenheit zum Kontern abwarten. Die kam, als Jai Hindley (Bora-Hansgrohe), der 27jährige australische Giro-Gewinner von 2022, am Schlussanstieg angriff, was den Dänen wenige hundert Meter später zur explosiven Beschleunigung und zum zweiten Solosieg animierte. Wie am Vortag bezwang Ayuso, der 21jährige spanische Vuelta-Dritte von 2022, Hindley im Zweiersprint um Platz zwei, was zugleich das Schlussklassement vorwegnahm.

Während Vingegaard als Top­favorit seinen ersten Tirreno-Sieg feierte, kam der Triumph eher unerwartet, der seinen Kollegen bei der gleichzeitigen 82. Austragung von Paris–Nizza glückte. Das gilt nicht für die zwei Siege, die der 22jährige Niederländer Olav Kooij im Sprint holte, während ein dritter Sprintsieg an dessen 29jährigen Landsmann Arvid de Kleijn (Tudor Pro Cycling Team) ging. Nein, die Überraschung war, dass sich Matteo Jorgenson im ersten Rennen, in dem Team Visma – Lease a Bike ihn zum Kapitän gemacht hatte, am abschließenden Sonntag das Führungstrikot sicherte.

Der 24jährige US-Amerikaner war gleich am ersten Tag aufmerksam, als er beim Zwischensprint die maximalen Bonussekunden einstrich. Auf der hügeligen sechsten Etappe riss er am letzten kategorisierten Anstieg sogar alleine aus, nachdem Primož Roglič (Bora-Hansgrohe) einen Angriff versucht hatte. Zwar musste sich Jorgenson dann dem 23jährigen Dänen Mattias Skjelmose Jensen (Lidl-Trek) geschlagen geben, der mit dem Etappenzweiten Brandon McNulty (UAE Team Emirates) 25 Kilometer vor dem Ziel Anschluss gefunden hatte. Allerdings verbesserte sich der Visma-Neuzugang vorerst auf Gesamtplatz zwei hinter seinem 25jährigen Landsmann McNulty, der dank gewonnenem Teamzeitfahren schon vorübergehend das Führungstrikot getragen hatte und schließlich Gesamtdritter wurde.

Dass Remco Evenepoel (Soudal Quick-Step) nicht prompt auf Jorgensons Attacke reagierte, sondern sich in der Verfolgergruppe 52 Sekunden Rückstand einhandelte, erkannte der 24jährige belgische Superstar als »großen taktischen Fehler«. Zwei Tage zuvor war er schon übertölpelt worden, als er einen Kollegen unabsichtlich eine Attacke der Konkurrenz vorbereiten ließ, die der 24jährige Kolumbianer San­tiago Buitrago (Bahrain-Victorious) zum Etappensieg nutzte. Da half es nicht viel, dass Evenepoel am Sonnabend – zeitgleich mit Jorgenson – Zweiter wurde, nachdem sein Angriff am schwersten Schlussanstieg der Rennwoche vom siegreichen 27jährigen Russen Alexander Wlassow (Bora-Hansgrohe) gekontert worden war. Trotzdem mochte man dem Vuelta-Sieger von 2022 am Tag darauf die Freude über den Etappenerfolg glauben, da sein halbminütiger Rückstand im Gesamtklassement kaum noch aufzuholen war, nachdem Jorgenson am vorletzten Anstieg als einziger Konkurrent drei Attacken des Belgiers zu parieren gewusst hatte. Trösten mochte den Gesamtzweiten auch, dass ein anderer Touraspirant bei seinem Saison­auftakt ein Fiasko erlebte: Roglič handelte sich am Sonntag über vier Minuten Rückstand ein.

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