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Aus: Ausgabe vom 12.03.2024, Seite 6 / Ausland
Nahostkonflikt

Ramadan unter Bomben

Krieg in Gaza: Israel treibt Besetzung und Spaltung des Küstenstreifens auch im Fastenmonat voran
Von Karin Leukefeld
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Alles andere als eine »sichere Zone«: Der zerstörte Masri-Turm in Rafah (9.3.2024)

Der Fastenmonat Ramadan hat für die Bevölkerung Gazas am Montag mit neuen Angriffen der israelischen Streitkräfte (IDF) begonnen. In dem als »sichere Zone« ausgewiesenen Gebiet von Al-Mawasi im Süden des Küstenstreifens wurden Unterkünfte von Familien beschossen, die den Ramadan gemeinsam feiern wollten. Mindestens acht Personen wurden getötet, berichteten arabische Medien. Weitere Angriffe wurden aus dem Flüchtlingslager Nuseirat und aus Tell Hawa gemeldet, einem Viertel von Gaza-Stadt. Dabei gab es mindestens zehn Todesopfer.

Am frühen Sonnabend morgen war in Rafah an der Grenze zu Ägypten der zwölfstöckige Burdsch Al-Masri (Turm der Ägypter) bombardiert worden, in dem rund 300 Menschen leben. Die IDF hätten den Bewohnern 30 Minuten Zeit gegeben, das Gebäude zu verlassen, berichtete ein Zeuge dem Sender Al-Dschasira. Alle seien in Panik die Treppen hinuntergerannt, einige gefallen. »Sie haben alles in den Wohnungen gelassen, auch ihr Geld.«

Am Sonntag abend wandte sich Ismail Hanija anlässlich des bevorstehenden Ramadan an die Palästinenser und nahm dabei Stellung zu den laufenden Verhandlungen mit Israel. Die Hamas will erreichen, dass die IDF sich nach einer dreimonatigen Übergangszeit aus Gaza zurückziehen und ein Waffenstillstand in Kraft tritt. Das israelische Kriegskabinett lehnt den Vorschlag der palästinensischen Organisation jedoch ab.

Er habe mit den Unterhändlern gesprochen, sagte Hanija unter Verweis auf die Gesandten Katars und Ägyptens, die bei den Verhandlungen die Hamas vertreten. Sie hätten ihm bestätigt, dass Israel »keine Garantien für einen Waffenstillstand« einräumen werde. Damit gebe es auch »keine Garantien für die Rückkehr der Inlandsvertriebenen in ihre Wohnungen«. Statt dessen plane Israel, den Gazastreifen zu spalten und die IDF an der Teilungslinie zu stationieren. Das sei unakzeptabel, sagte Hanija. Man werde keiner Vereinbarung zustimmen, »die nicht den Krieg im Küstenstreifen beendet«.

Seit Anfang des Jahres berichten israelische und US-Medien über Pläne, das Küstengebiet südlich von Gaza-Stadt zu teilen und einen Korridor mit Checkpoints einzurichten. Ein Reporter des israelischen Fernsehsenders Channel 14 begleitete die israelische Armee entlang der entsprechenden Ostwesttrasse und ließ IDF-Offizielle den Plan erläutern. In dem auch von dem Portal Middle East Eye im Februar veröffentlichten Video werden Erdarbeiten auf palästinensischem Boden gezeigt, wo vor dem jüngsten Krieg landwirtschaftliche Nutzflächen, Parks und Erholungsgebiete, die Al-Aksa-Universität und das Türkische Krankenhaus standen. Alles wurde von den IDF zerstört.

Die Trasse soll offensichtlich die Rückkehr der rund eine Million Palästinenser nach Gaza-Stadt verhindern, die vor den Angriffen der IDF geflohen waren. Zudem soll die Straße vermutlich dem Aufmarsch für bevorstehende IDF-Angriffe auf Rafah dienen. Die militärische Zerteilung des Gazastreifens werde die Präsenz israelischer Streitkräfte »auf lange Zeit« sicherstellen, so der Reporter von Channel 14.

In dem Zusammenhang ist auch der von den USA und der EU-Kommission propagierte »humanitäre Seekorridor« von Zypern nach Gaza zu verstehen. Das Projekt soll Israel entlasten, das als Besatzungsmacht verpflichtet ist, die Bevölkerung in dem Kriegsgebiet zu versorgen. Der beabsichtigte Bau eines Piers soll bis zu zwei Monate dauern, was den IDF mehr Zeit für weitere Militäroperationen verschafft. Unklar ist, wie die Hilfsgüter verteilt werden sollen. Ein erstes Schiff, das am vergangenen Wochenende auslaufen sollte, liegt wegen »technischer Probleme« noch immer im Hafen von Larnaka auf Zypern.

In Deutschland wird bereits eine Beteiligung der Marine diskutiert, um den »Seekorridor« zu schützen. Unklar ist, vor wem. Die Menschen in Gaza brauchen aber keine Hilfe, sie brauchen ein Ende des Krieges, sagte Helen Ottens-Patterson, Nothilfekoordinatorin von »Ärzte ohne Grenzen« (MSF), am Sonntag im Gespräch mit der Irish Times. Humanitäre Hilfe für Gaza sei »eine Illusion«, solange der Krieg anhalte.

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