4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 12.03.2024, Seite 5 / Inland
Gigafactory

Tesla spaltet

Grünheide: Bündnis demonstriert gegen geplanten Fabrikausbau – weitere Aktionstage angekündigt. Polarisierte Stimmung bei Anwohnern
Von Oliver Rast
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In Frontstellung gegen den Gigantismus des US-Elektroautobauers (Grünheide, 10.3.2024)

Alles ist noch nicht startklar. Die Generatoren dröhnen, übertönen das »Eins, zwei, drei« der Durchsagerin. »Könnt ihr die Regler hochdrehen?« fragt sie durchs Mikro. Auch sonst überall letzte Handgriffe. Etwa von Susanne Klein (Name geändert), die mit Gaffaband ein Seitentransparent am Lautsprecherwagen befestigt. »Wer ist denn bei euch für die Presseleute da?« will der Autor wissen. »Ach, das können wir machen.« Klein gehört zum Orgateam von Kundgebung samt Protestzug, die gleich beginnen soll.

Das Bündnis »Tesla den Hahn abdrehen« hatte zur Demo am Sonntag nachmittag am Bahnhof Fangschleuse aufgerufen, gegen die geplante Erweiterung der Gigafactory des US-Elektro­autobauers von Elon Musk im ostbrandenburgischen Grünheide. »Unsere Bündnisaktion bleibt keine Eintagsfliege, sicher nicht«, betont Klein im jW-Gespräch – und reißt dabei ein Stück Gaffa ab. Sie ist seit Jahrzehnten in der radikalen Linken aktiv, anfangs in der Anti-AKW-Bewegung, heute engagiert in der Klimagerechtigkeitsbewegung. Stets mittenmang. Zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten kennen sie. Mit Klarnamen genannt werden möchte sie dennoch nicht. Wichtiger sind ihr Inhalte, klare Statements.

Der Parkplatz am Bahnhof, direkt neben dem Fachwerkhäuschen der IG Metall, füllt sich kurz vor 14 Uhr. Viele waren in den Mittagsstunden beim Camp im angrenzenden Waldstück, zur Stippvisite. Ein Areal, das Tesla für weitere Werkshallen plattmachen will. Ganz so einfach wird das nicht, seit Ende Februar zelten dort Protestler; fünf, sechs Baumhäuser hängen in luftiger Höhe zwischen Kiefern. »Wasserbesetzung« nennt das die Initiative »Tesla stoppen«.

Nach den Redebeiträgen auf der Kundgebung rollt der Pritschenwagen mit den Boxen auf die Straße. Gemächlich. »So, wir wollen jetzt los«, sagt die Mikrofonstimme. Ein kleiner Block mit dem Frontbanner ist vorgelaufen – die Botschaft: »Grünheide sagt: Tesla, nein danke«. Per Votum bestätigt. Bei einer Einwohnerbefragung hatte unlängst die Mehrheit, rund 62 Prozent, gegen einen Tesla-Werksausbau gestimmt. Nur, verbindlich ist der Ausgang für die Gemeindevertreter nicht. Mehr noch: Die Unterlegenen mucken auf. Erstmals versammeln sich Grünheider im Ort, für Musks Fabrik. Zeitgleich zur Demo.

Damit kann sich Klein noch nicht befassen. Sie läuft während des Protestes den Zug mehrfach auf und ab; trifft, spricht Leute. Schließlich ist immer etwas zu koordinieren. Unterdessen passiert der Frontblock das Ortsschild. Eine Handvoll Anwohner lehnt am Gartenzaun, schaut angewidert; so, als ob Invasoren die Gemeinde einnehmen wollten. »Was machen die hier, keiner von denen kommt aus Grünheide?« poltert einer und weist mit ausgestrecktem Zeigefinger in die Menge zehn Meter vor ihm. »Doch, ich«, sagt eine, die ihr Fahrrad am Rand der Demo mitführt. Der Aufgebrachte kriegt sich gegenüber jW gar nicht mehr ein. »Diese Spinner.« Besonders regt ihn der Brandanschlag auf einen Strommast auf, der nicht nur der Gigafactory den Saft abgedreht hatte, sondern auch Bewohnern in der Umgebung. Für ein paar Stunden. Die Saboteure, eine der militanten »Vulkangruppen«, entschuldigten sich in einem Schreiben am Sonnabend: Tesla war im Visier, nicht Privathaushalte. Den Zeigefingerzeiger kann das aber nicht besänftigen. Ein Disput, der nicht der einzige bleiben sollte.

Wenige hundert Meter weiter ortseinwärts wummern dumpfe Bässe. 70, vielleicht 80 Anwohner warten auf die Demo. Es sind die, die zuvor ihre Pro-Tesla-Kundgebung abgehalten haben. Auf Pappschildern steht: »Ideologie killt Hirn« oder »Zukunft gestalten – nicht alles bleibt beim alten«. Anmelder ist Albrecht Köhler. Musk schaffe in der Region Jobs, meint der SPDler aus Grünheide gegenüber jW. Das sei eine wichtige Wirtschaftsansiedlung. Ferner landeten sechs Millionen Euro Steuergeld im Gemeindesäckel – dank Tesla.

Fakt ist, die Stimmung in Grünheide hat sich polarisiert. Merklich. Das spürt auch Klein. Aber: »Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren, vom Wasserklau durch Tesla sind Menschen in Brandenburg und Berlin gleichermaßen betroffen.« Das Bündnis sei stabil – und mobilisierungsstark. 1.200 Personen haben sich an dem Auflauf gegen den Teslanischen Gigantismus beteiligt. Nie waren es mehr. »Wir bleiben dran«, versichert die Aktivistin nochmals. Und wie. Aktionstage gegen das Musk-Imperium stehen schon fest: 8. bis 12. Mai. Dann dröhnen auch wieder Generatoren für den Protestsound. Spätestens.

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