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Aus: Ausgabe vom 11.03.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Kryptowährung

Spanien verbietet Worldcoin

Behörde untersagt Datensammlung durch Kryptofirma. Forscher warnt vor mangelndem Datenschutz und prophezeit Platzen der Worldcoin-Blase
Von Alex Favalli
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Die von Open-AI-Chef Altman gegründete Kryptowährung zertifiziert die Käufer durch einen Iris-Scan

Spanien macht Worldcoin einen Strich durch die Rechnung. Die nationale Datenschutzbehörde Agencia Española de Protección de Datos (AEPD) hat das Projekt vergangene Woche blockiert. Die von Open-AI-Chef Samuel Altman gegründete Kryptowährung zertifiziert die Käufer nämlich durch einen Iris-Scan, was bereits in mehreren Ländern Fragen zum Datenschutz aufgeworfen hat. Zuletzt wurden die Aktivitäten des Startups mit Sitz in Berlin und San Francisco im vergangenen Jahr in Kenia verboten.

Spanien ist nun das erste europäische Land, das rechtlich gegen die Datensammlung des Konzerns vorgeht. Die zuständige Behörde teilte am vergangenen Mittwoch mit, sie habe eine »Vorsichtsmaßnahme« ergriffen und Worldcoin 72 Stunden Zeit gegeben, die Datensammlung auf spanischem Territorium einzustellen. Außerdem wurde das Unternehmen aufgefordert, alle bisher gesammelten Daten zu löschen. Mar España Martí, Direktorin der AEPD, äußerte gegenüber der Financial Times den Verdacht, dass das Kryptounternehmen auch Informationen über Minderjährige sammelt. »Was wir getan haben, war, die Alarmglocken in Europa zu läuten. Aber das ist ein Problem, das die Bürger in allen Ländern der Europäischen Union betrifft«, sagte sie. »Das bedeutet, dass es koordinierte Maßnahmen geben muss.«

Am Freitag gab Worldcoin in einer Erklärung bekannt, dass es gegen die Anordnung der AEPD Klage eingereicht habe. Demnach würde die AEPD die »akzeptierten EU-Prozesse und -Regeln« und die »etablierten Verfahren im Rahmen der GDPR« (der Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union) umgehen und »ungenaue und irreführende Behauptungen über die Technologie von Worldcoin verbreiten«.

Der Konzern hinter Worldcoin heißt Tools for Humanity (TFH) und wurde 2019 ins Leben gerufen. Neben Altman gehört der deutsche Informatiker Alex Blania zu den Gründern. Das Konzept besteht darin, eine digitale Identität auf Basis biometrischer Daten, also genetischer Informationen aus der Iris des Auges, zu erstellen, um sicherzustellen, dass Transaktionen von Menschen und nicht von Bots getätigt werden. Im Leitfaden der Firma heißt es: »Worldcoin wurde mit dem Ziel gegründet, ein globales Identitäts- und Finanznetzwerk zu schaffen, das sich im Besitz der Mehrheit der Menschheit befindet«. Damit wird versprochen, die »wirtschaftlichen Möglichkeiten« vieler Menschen weltweit zu verbessern.

Einem Bericht der MIT Technology Review vom April 2022 zufolge beutet das Unternehmen jedoch Studierende und »einkommensschwache Gemeinschaften« aus, um diese Ziele zu erreichen. Es sei »billiger und einfacher, diese Art der Datensammlung dort zu betreiben, wo die Menschen wenig Geld und wenig rechtlichen Schutz haben«. Hinzu kommen, wie die Online­zeitung Tech Crunch im Mai 2023 berichtete, gravierende Sicherheit­slücken im eigenen Netzwerk. Hackern sei es gelungen, die Anmeldedaten mehrerer persönlicher Geräte von Worldcoin-Betreibern zu stehlen, darunter auch die Anmeldedaten für die Worldcoin-Betreiber-App.

»Das Ethos von Blockchaintechnologien ist der freie Zugang zu dezentralen Finanzinfrastrukturen weltweit«, meint der Investor und Blockchain-Forscher, der unter dem Namen »Seppmos« auftritt, gegenüber jW. »Trotzdem ist es keine kluge Idee, biometrische Daten für Worldcoin-Tokens preiszugeben. Denn Privatsphäre und Kontrolle über finanzielle Ressourcen spielen in der Kryptowelt eine zentrale Rolle. Es gibt zahlreiche Projekte, die sich um Open Source Codes und Dezentralisierung bemühen. Diese Werte sind bei Worldcoin allerdings nicht gegeben.«

Derzeit haben sich mehr als vier Millionen Menschen in 120 Ländern registriert, um ihre Iris mit den Worldcoin-Geräten scannen zu lassen. In Spanien soll es mehr als 360.000 Accounts geben. Wer sich registriert, erhält im Gegenzug 25 Token der Krypto­währung Worldcoin, deren Wert aufgrund starker Schwankungen derzeit schwer zu bestimmen ist.

Offensichtlich wirkt das spanische Vorgehen jedoch als Katalysator auf dem Investmentmarkt. Denn am Sonntag lag der Wert des Tokens bei mehr als zehn US-Dollar, was einer Steigerung von fast 40 Prozent gegenüber dem Vortag entspricht. Seppmos hält den Trend allerdings für eine Blase: »Viele wetten derzeit stark auf diesen vom AI-Hype getriebenen Coin. In den letzten fünf Monaten hat sich der Wert mehr als verfünffacht, und er wird mit großer Wahrscheinlichkeit weiter steigen – bis die Blase platzt.«

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