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Aus: Ausgabe vom 11.03.2024, Seite 6 / Ausland
Südostasien

Auf Einkaufstour in Australien

Vietnam: Strategische Partnerschaft und EInigkeit zu Südchinesischem Meer
Von Gerhard Feldbauer
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Unterzeichnung geglückt: Anthony Albanese und Pham Minh Chinh am Donnerstag in Canberra

Es hat sich viel getan in den vergangenen Monaten in der vietnamesischen Außenpolitik und Diplomatie. Erst im September hatte das Land eine strategische Partnerschaft mit den USA beschlossen. Am Donnerstag dann gaben Ministerpräsident Pham Minh Chinh und sein australischer Amtskollege, Premier Anthony Albanese, bekannt, die Beziehungen der beiden Länder ebenfalls zu einer umfassenden strategischen Partnerschaft ausbauen zu wollen.

Die Verkündung erfolgte nach Abschluss eines dreitägigen Sondergipfels der ASEAN, der internationalen Organisation südostasiatischer Staaten, in Melbourne. Beide Länder zeigten sich zufrieden mit der Entwicklung der Beziehungen untereinander, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Vietnam News Agency (VNA). Die Partnerschaft soll sich von Wirtschaft und Handel zu Forschung, Kultur, Bildung, Umweltschutz und dem Problem des Klimawandels bis hin zu Sicherheits- und Verteidigungsfragen erstrecken. Der Handel zwischen Australien und Vietnam ist gewachsen, allein in den vergangenen zwei Jahren sei das Volumen um 75 Prozent gestiegen, so Albanese. Vietnam sei nun Australiens zwölftwichtigster Handelspartner. Australische Unternehmen betreiben in Vietnam über 600 Projekte mit einem Kapital von mehr als zwei Milliarden US-Dollar. Und auch Vietnam investiert inzwischen in zahlreiche Projekte in Down Under.

Die Wichtigkeit, die Vietnam den Beziehungen zu Australien beimisst, zeigte sich auch darin, dass Chinh auf seiner Reise von sieben Ministern begleitet wurde. Bei Zusammenkünften mit den Chefs führender australischer Wirtschaftsgruppen in den Bereichen Finanzinvestitionen und Infrastruktur, Mineraliengewinnung und -verarbeitung sowie der Lebensmittelproduktion ging es um neue Investitionen, die Vietnam bei Einbeziehung seines privatkapitalistischen Sektors in seine, wie betont wurde, am Sozialismus orientierte Marktwirtschaft benötigt. So will der Finanzkonzern Corio Generation, der in Vietnam bereits Projekte zur Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen entwickelt, weiter in Offshorewindenergie investieren. Auch zwei australische Bergbauunternehmen, die ASM-Group und die EQ Resources, wollen in »die Erschließung von Minerallieferketten« in Vietnam investieren. Pham Minh Chinh sagte zu, die Rechte und Interessen legitimer und legaler Investoren in Vietnam zu garantieren. Beschlossen wurden außerdem Dialoge auf Ministerebene, darunter ein jährlicher Dialog zu Energie und Mineralien sowie zu Sicherheitsfragen.

Vietnams außenpolitischer Kurs, der betont auf Unabhängigkeit und gegenseitige Nichteinmischung ausgerichtet ist, wird in Beijing misstrauisch verfolgt. Zur gleichen Zeit der Australien-Reise fand dort der Volkskongress statt, der sich für den Ernstfall einer Konfrontation mit einer von den USA geführten Allianz, der neben Japan auch Australien angehört, wappnete. Konfliktstoff dürfte hier vor allem liefern, dass Chinh Australiens Position in bezug auf das Südchinesische Meer begrüßte. Australien und China haben unterschiedliche Ansichten, was die Ansprüche in dem Gebiet betrifft. Im Ostmeer, von Beijing Südmeer genannt, befinden sich die Spratly-Inseln, auf die China, dessen abtrünnige Provinz Taiwan, Vietnam als auch Brunei, Malaysia und die Philippinen Anspruch erheben, Beijing davon auf etwa 80 Prozent. Das Gebiet ist von strategischer Bedeutung, sollte es zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen. Aus diesem Grund sind von der Volksrepublik bereits zahlreiche militärische Stützpunkte errichtet worden. Außerdem verlaufen durch das Südchinesische Meer wichtige Schiffahrtsrouten, und es werden größere Erdöl- und Erdgasvorkommen vermutet.

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  • Leserbrief von Doris Prato (14. März 2024 um 15:23 Uhr)
    Die Lage ist etwas komplizierter. Unter dem Modewort »strategische Partnerschaft« unterhält Vietnam mit führenden kapitalistischen Ländern von den USA über Frankreich bis Deutschland Beziehungen, die im Grunde den einstigen Prinzipien der »friedlichen Koexistenz« entsprechen. Anders geartet werden auch die mit der von der Kommunistischen Partei geführten Volksrepublik China so genannt. Die Sozialistische Republik Vietnam betont dabei immer, dass sie eine Außenpolitik der Unabhängigkeit, Autonomie sowie der Diversifizierung verfolgt.
    Die Beziehungen zu Beijing wurden u. a. im Dezember 2023 beim Besuch des Partei- und Staatschef der Volksrepublik Xi Jinping in Hanoi mit KPV-Generalsekretär Nguyen Phu Trong, bei dem beide Seiten 36 Kooperationsabkommen schlossen, bestätigt. Der Besuch habe »das gegenseitige politische Vertrauen und die für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit wiederbelebt«, schrieb die englische Ausgabe der chinesischen KP-Zeitung Renmin Ribao damals und betonte, dass dadurch die vietnamesisch-chinesischen Beziehungen »zu neuen Höhen« geführt würden. Nguyen Phu Trong, sagte beim Treffen mit Xi, dass das starke sozialistische China »immer größere Beiträge zur Sache des Friedens und des Fortschritts der Menschheit leistet«, und drückte »seine Wertschätzung für die Unterstützung des chinesischen Volkes für die revolutionäre Sache und den Aufbau des Sozialismus in Vietnams aus«.
    Zu sehen ist auch, dass sowohl China als auch Vietnam vor ihren Küsten im südchinesischen Meer eine 200 Seemeilen-Wirtschaftszone erklärt haben, mit der sie ihre Ansprüche auf die Spratley-Inseln untermauern. Beide Seiten haben den Anspruch der anderen Seite zwar offiziell nie anerkannt, aber dagegen auch keinen Einspruch erhoben. Würde Beijing den Anspruch Vietnams anerkennen, würde damit ein Präzedenzfall geschafften, den die anderen Länder zur Bekräftigung ihrer Forderungen nutzen könnten. Xi Jinping und Nguyen Phu Trong sprachen bei ihrem Treffen im Dezember die Streitigkeiten um die Spratley-Inseln offen an und erklärten laut der staatlichen Nachrichtenagentur Vietnam News Agency (VNA) Meinungsverschiedenheiten besser kontrollieren und aktiv lösen zu wollen, um Frieden und Stabilität im Ostmeer und in der Region aufrechtzuerhalten.

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