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Aus: Ausgabe vom 09.03.2024, Seite 10 / Feuilleton
Tagebuch – In dieser großen Zeit

Bube, Dame, Russen, RAF

Von Pierre Deason-Tomory
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Die Polizei hat bei der RAF-Fahndung einen Friedrichshainer Bauwagenplatz verwüstet (Berlin, 3.3.2024)

Freitag, 1. März

Der Spiegel meldet, der gesuchte Wirecard-Betrüger Marsalek habe für den russischen Geheimdienst gearbeitet. Offenbar schlecht bezahlt: Der Mann hat zwei Milliarden Miese.

Samstag, 2. März

Am Morgen platzte ein Sondereinsatzkommando in meine Küche.

»Verstecken Sie die RAF-Terroristen Garweg und Staub?«

»Nein, mit denen hab’ ich nix zu tun. Ich bin die Abhörzentrale des transnistrischen Geheimdienstes in der BRD.«

»Wollen Sie mich hochnehmen?«

»Wie käme ich dazu, Herr Hohnepipel?«

»Woher kennen Sie meinen Namen?«

»Sehen Sie …«

Aus der Stube rief sein Kollege: »Hier ist einer!«

»Sind Sie Garweg?«

»Nein, ich bin Marsalek.«

»Den Ausweis bitte! – Tatsächlich. Nichts für ungut, meine Herren.«

»Soll ich den Genossen etwas von Ihnen ausrichten? Sie wollen mich an Ostern besuchen.«

»Wer?«

»Garweg und Staub. Andreas Baader und Gudrun Ensslin kommen auch.«

»Die haben sich doch in Stammheim umgebracht!«

»Ach wo, das war eine Inszenierung. Baader und Ensslin wurden 1974 gegen Solschenizyn ausgetauscht.«

»Sagen Sie Garweg und Staub, sie sollen sich stellen.«

Kaum waren alle gegangen, klopfte es wieder an der Tür. Garweg und Staub standen vor mir.

»Können wir bei dir pennen?«

»Klar. Hier seid ihr sicher, die Bullen waren schon da.«

»Sind uns an der Haustür begegnet. Der eine hat mir den Geigenkasten hochgetragen. Was läuft in den Nachrichten?«

»Die haben ein Foto von dir veröffentlicht, die Russen ein Gespräch deutscher Luftwaffenoffiziere geleakt – das ich für die transnistrischen Freunde aufgenommen habe –, und der Kanzler ist beim Papst.«

»Was will er da?«

»Fortbildung in Unfehlbarkeit und Geldwäsche.«

Sonntag, 3. März

Alle fallen wegen der Abhöraffäre über die Regierung her. Telefonat Scholz mit Pistorius: »Putin hat mit dieser Scheiße Rumpelstilzchen auf mich losgelassen!« – »Rumpelstilzchen?« – »Strack-Zimmermann.« – »Verzeihen Sie, dass ich mich einmische, ich hätte da eine Idee.« – »Wer sind Sie? Wie kommen Sie in mein Telefonat?« – »Ich bin der Küchenchef der saudischen Botschaft. Wir könnten für Sie Haschee to go aus Rumpelstilzchen machen …«

Montag, 4. März

Die Polizei hat bei der RAF-Fahndung einen Friedrichshainer Bauwagenplatz verwüstet. Zwei Verdächtige wurden festgenommen und wieder freigelassen. Es waren die falschen: ein Herr Baader und eine Frau Ensslin.

Dienstag, 5. März

Anschlag auf die Tesla-Fabrik bei Berlin. Zur Tat bekannt hat sich eine »Vulkangruppe«. Hofreiter vermutet China dahinter. Elon Musk fordert die Bombardierung von Friedrichshain-Kreuzberg.

Mittwoch, 6. März

Trump hat bei den Vorwahlen final abgeräumt, Biden bröselt wie olle ­Jelzin. Der Verteidigungsminister fragt den Kanzler: »Was machen wir, wenn Trump gewinnt und die Amis aus Europa abzieht?« – »Dann können wir machen, was wir wollen.« – »Und was wollen wir?« – »Das musst du die Amis fragen.«

Donnerstag, 7. März

Lokführerstreik bis morgen mittag, Bahnchef Lutz spitzt wütend Bleistifte. Das Telefon klingelt: »Wer sind Sie?« – »Der Küchenchef der saudischen Botschaft in Berlin. Wir könnten das Catering für die Verhandlungen mit der GDL übernehmen …«

Freitag abend, 8. März

Terroreinsatz im Berliner Hauptbahnhof. Polizisten werfen 23 Blendgranaten in einen Zug und sich dann auf einen verdächtig fliehenden älteren Herren. Eine Verwechslung. Der Einsatzleiter entschuldigt sich persönlich bei Joschka Fischer.

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