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Aus: Ausgabe vom 09.03.2024, Seite 5 / Inland
Digitalpolitik

Vielfalt als Chimäre

»Digital Markets Act« tritt EU-weit in Kraft. Veränderungen ökonomischer Kräfteverhältnisse im Digitalbereich dadurch kaum absehbar
Von Barbara Eder
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Noch mehr Apps: Vervielfältigung bricht keine Marktmonopole

Sie wirken in nahezu jedem Smartphone und sind mit unhinterfragter Selbstverständlichkeit vorinstalliert: Anwendungen der marktbeherrschenden Silicon-Valley-Giganten. Dies trifft vor allem auf die Suchmaschine Google und ihre Applikationen zu. Sie speichert nicht nur die bei der Onlinesuche anfallenden Nutzerdaten und verarbeitet sie zu Werbezwecken weiter, per vorinstallierter Handy-App vergrößert sich auch der Kreis ihrer Nutzerinnen und Nutzer. Browseralternativen zu Google Chrome oder andere Suchmaschinen – so etwa Mozillas Firefox oder die chinesische Suchmaschine Baidu – sind auf dem Smartphone von Werk aus nicht vorinstalliert. Wer weiß, wie man sie dennoch nutzt, gehört bereits zu den Insidern.

Mit dem EU-weit beschlossenen »Digital Markets Act« (DMA) soll sich dies nun ändern. Die EU-Kommission macht darin 22 Dienste von sechs Unternehmen als sogenannte »Gatekeeper« (Torwächter) aus, für die neue Vorgaben gelten. Diese sollen eigene Dienste nicht mehr gegenüber Angeboten von Konkurrenten bevorzugen dürfen. Messenger sollen zudem via Interoperabilitätsschnittstellen untereinander kompatibel gemacht werden: Whats-App-User könnten ihre Nachrichten dann auch via Signal, Threema oder Telegram austauschen. Infolge des DMA könnte auch die Vormachtstellung des Apple-Konzerns im App-Store-Bereich fallen – alternative Anbieter wie Fortnite und Epic Games, die sich mit Apple im Dauerclinch befinden, bekämen demnach eine Chance. Bei Verstößen gegen den DMA drohten laut dpa Strafen von bis zu 10 Prozent des jährlichen Umsatzes – und bis zu 20 Prozent im Falle wiederholter Verletzungen.

Ein Mehr an Angeboten ändert noch keine Kräfteverhältnisse. Die »Digital Markets Act«-Verordnung scheint dies auch keineswegs zu intendieren. Dabei geht es weder um erhöhten Verbraucherschutz noch eine DSGVO-konforme Anwendung von Diensten, statt dessen ist die Erweiterung der Produktpalette und die Kompatibilität zwischen den unterschiedlichen Angeboten das erklärte Ziel. Was damit vorangetrieben wird, ist der Wettbewerb auf digitalen Märkten. Viele »Gatekeeper« legen währenddessen mehr als 90 Prozent ihres Umsatzes auf Offshorefinanzplätzen an, und die Asymmetrien auf digitalen »Marktplätzen« vergrößern sich. Den Herstellermonopolen im Bereich der Hardware- und Netzwerktechnik setzt der DMA bis auf Weiteres nichts entgegen – als ob das, was sich an der Bildschirmoberfläche zeigt, ohne technischen Unterbau denkbar wäre.

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