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Aus: Ausgabe vom 09.03.2024, Seite 4 / Inland
Repression

»Vulkangruppe« liefert Vorlage

Anschlag in Grünheide wird weiter für Mobilmachung gegen »Linksextreme« genutzt
Von Henning von Stoltzenberg
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Die Tesla-Fabrik in Grünheide steht nach dem Anschlag auf einen Strommast weiter still

Es kann nicht überraschen, dass die Gelegenheit, die sich durch die inszenierte Hatz auf mutmaßliche ehemalige Mitglieder der längst aufgelösten RAF und den Anschlag auf die Stromversorgung der Tesla-Fabrik in Grünheide bei Berlin ergibt, zur Akzentverschiebung in der politischen Debatte genutzt wird. Am Freitag schaltete sich auch die sogenannte Gewerkschaft der Polizei (GdP) in die Debatte ein und forderte die Innenminister der Länder auf, sich auf ein gemeinsames Konzept zur »Bekämpfung der wachsenden Gewalt linksextremer Gruppen« zu verständigen. Zwar gehe die größte Gefahr für die Demokratie von »rechtsextremen Gruppen« aus, das sei aber kein Grund, die angebliche Gewalt »von links« mit weniger Druck zu verfolgen, erklärte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke am Freitag gegenüber der dpa.

Das Konzept soll nach seiner Vorstellung spätestens bis zur Innenministerkonferenz im Juni vorliegen. Kopelke gab sich wegen einer angeblich wachsenden Zahl »kleiner Gruppierungen« besorgt, die sich von der politischen Diskussion abkoppelten. Welche Gruppierungen er da neben dem Phantom »Vulkangruppe«, die für den Anschlag in Grünheide verantwortlich sein soll, im Auge hat, verriet er nicht, warnte aber vor weiteren Anschlägen, sollte die »Radikalisierungsspirale nicht aufgebrochen werden«.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) meldete sich mit Blick auf die GdP-Forderungen bereits zum Dienst. Die Sicherheitsbehörden hätten den »Linksextremismus« nie vernachlässigt. »Es ist, ehrlich gesagt, für uns ein Phänomen, was wir in den vergangenen Jahren schon sehen, dass der Linksradikalismus härter wird, gewaltbereiter und vor solchen Aktionen nicht zurückschreckt, und da muss jetzt hart gehandelt werden«, erklärte Faeser zuletzt.

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) hatte bereits am Donnerstag »linksextreme« Täter aus Berlin für den Anschlag auf den Strommast verantwortlich gemacht. Die »Vulkangruppe«, die ausweislich ihres von den Behörden auffällig schnell für authentisch erklärten Bekennerschreibens der Auffassung ist, die Fabrik stehe gar nicht im brandenburgischen Grünheide, sondern im mehrere Kilometer entfernten Berliner Ortsteil Grünau, operiert nach Stübgens Auffassung von Berlin aus.

Die Ermittlungen zu dem Anschlag hat am Freitag die Bundesanwaltschaft übernommen, was Stübgen umgehend begrüßte. Die Karlsruher Behörde begründete das am Freitag mit einem Anfangsverdacht unter anderem der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, der verfassungs­feindlichen Sabotage sowie der gemein­schaftlichen Brandstiftung. »Das erhöht den Fahndungsdruck auf die deutschlandweit, möglicherweise sogar international agierende Verbrecherbande«, sagte Stübgen, der auch Vorsitzender der Innenministerkonferenz ist. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke wollte am Freitag sogar eine »schwere staatsgefährdende Straftat« erkannt haben.

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  • Leserbrief von Sebastian Ringa aus Berlin (8. März 2024 um 22:14 Uhr)
    Den erfolgreichsten Akt von Sabotage der letzten zwei Jahrzehnte, die Kappung der Stromversorgung des von der Politik hofierten Tesla-Werks als Vorlage für »Mobilmachung gegen Linksextreme« zu bezeichnen, ist verkehrt. Diese Mobilmachung findet so oder so statt, auf praktische Kritik zu verzichten, um den Staat nicht zu provozieren, plädiert für eine Selbstaufgabe und Verharmlosung. Im Werk des reichsten Mannes der Welt, den man inzwischen wohl auch als offen rechtsradikalen bezeichnen kann, stehen jetzt für zwei Wochen die Bänder still, es gibt keine Verletzten. Hier werden viele Tausend SUV nicht produziert. Eine notwendige Entwicklung der Umweltbewegung, statt weiter den Weg über die Grünen zu versuchen jetzt mit Waldbesetzung und Camp, Bürgerdialogen und Sabotage selbst die Zügel in die Hand zu nehmen.

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