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Aus: Ausgabe vom 09.03.2024, Seite 2 / Ausland
Krieg in Gaza

»Sie sollen eine neutrale Position einnehmen«

Über Krieg in Gaza, Österreichs Rolle und den Rücktritt der fatahgeführten palästinensischen Koalition. Ein Gespräch mit Salah Abdel Shafi
Interview: Dieter Reinisch, Wien
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Palästinasolidarische Kundgebung in Wien (21.10.2023)

Sie haben auf der »Hands Off Rafah«-Demonstration in Wien am 2. März gesprochen. Was war Ihre Botschaft?

Erstens ist die Aufgabe dieser Demonstrationen, Solidarität mit den Menschen in Gaza zu zeigen. Zweitens gilt es, einer größeren Öffentlichkeit in Österreich die israelischen Verbrechen an der palästinensischen Bevölkerung aufzuzeigen. Das ist durch diese Demonstrationen möglich, weil es uns sonst schwerfällt, dies zu tun. Es ist aber auch eine Möglichkeit, zu thematisieren, wie die internationale Gemeinschaft mit diesem Konflikt umgeht. Wir sind schockiert über das Schweigen der internationalen Gemeinschaft zum Genozid, der in Gaza stattfindet. Als palästinensische Vertretung in Wien sind wir aber besonders schockiert über die Haltung der österreichischen Regierung. Sie hat zweimal gegen einen Waffenstillstand (bei der UNO, jW) gestimmt. Anstatt nur über die Entsendung humanitärer Hilfe zu reden, sollten wir uns auf das zentrale Thema konzentrieren. Priorität hat nichts anderes, als diesen Genozid und diesen Krieg gegen das palästinensische Volk unverzüglich zu stoppen.

Das waren meine Botschaften, die ich auf der Demonstration präsentieren wollte. Ich möchte auch die Leute, die jede Woche seit Oktober auf die Straße gehen, dabei bekräftigen, weiter auf die Straße zu gehen und ihre Solidarität mit den Palästinensern zum Ausdruck zu bringen. Wir sehen die Entwicklung einer großen Solidaritätsbewegung auf der ganzen Welt, und das muss weitergehen. Diese Bewegung darf nicht aufhören, bis Palästina frei ist.

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg, ÖVP, ist erst vergangene Woche von einem Besuch in Israel zurückgekehrt. Sind Sie in Kontakt mit der Regierung? Was hören Sie von offizieller Seite?

Selbstverständlich bin ich in meiner Position als Botschafter hier in Kontakt mit dem Außenministerium. Wir bringen zum Ausdruck, dass wir sehr kritisch gegenüber der österreichischen Position sind. Wir fordern Österreich auf, als neutrales Land auch zumindest eine neutrale Position einzunehmen.

Aber leider ist die Position ab dem ersten Tag (dem 7. Oktober, jW) eine sehr einseitige Position (zugunsten Israels, jW) gewesen. Ich muss aber zugestehen, dass in den letzten beiden Wochen ein gewisser Wandel sichtbar ist: Sie sprechen mehr über die Zweistaatenlösung, und sie sprechen mehr über die humanitäre Lage in Gaza. Aber das ist bei weitem noch nicht ausreichend. Wir fordern mehr von ihnen.

Was sind Ihre Wünsche und Forderungen an die österreichische Regierung, um den Menschen in Gaza zu helfen?

Unsere Forderungen sind politischer Natur. Österreich ist Mitglied der EU und der Vereinten Nationen. In dieser Rolle sollte Österreich sich mit allen Staaten zusammenschließen, die einen sofortigen Waffenstillstand fordern. Wir fordern aber auch Strafmaßnahmen gegen Israel. Es besteht ein Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel, und die EU sollte dieses Abkommen hinterfragen.

In der Präambel dieses Abkommens steht, dass eine Bedingung dafür der Respekt für Menschenrechte ist. Es ist ganz offensichtlich, dass sich Israel nicht an die Menschenrechte hält. Und daher muss die EU das Assoziierungsabkommen aufkündigen. Das sind die Punkte, die wir nicht nur von Österreich, sondern allen europäischen Ländern einfordern.

Vor kurzem ist die palästinensische Regierung zurückgetreten. Können Sie diesen Schritt und die Motivationen dahinter erklären?

Im Grunde genommen ist der Schritt ein Versuch, die Tür zu öffnen für eine neue Regierung, die von allen Fraktionen in Palästina unterstützt wird. Das ist die Idee dahinter. Wir wollen alle politischen Parteien, egal ob Fatah, Hamas oder sonst wer, vereint sehen und dass sie eine gemeinsame Regierung unterstützen.

Salah Abdel Shafi ist palästinensischer Botschafter für Österreich, Slowenien und Kroatien sowie ständiger Beobachter des Staates Palästina bei den Vereinten Nationen

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