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Aus: Ausgabe vom 08.03.2024, Seite 7 / Ausland
Asylpolitik

Rückschlag für Sunaks »Ruanda-Plan«

Britisches Oberhaus reicht Änderungsanträge zu Gesetzentwurf ein
Von Dieter Reinisch
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»Nein zu Ruanda-Deportationen. Stoppt die Flüge« (London, 18.12.2023)

Seit Montag wird im britischen Oberhaus, der zweiten Parlamentskammer des Vereinigten Königreichs, der sogenannte Ruanda-Plan der Regierung geprüft. Das Unterhaus hatte den Gesetzentwurf von Tory-Premier Rishi Sunak, der vorsieht, Asylsuchende für ihr Verfahren in das ostafrikanische Land abzuschieben, Mitte Januar gebilligt. Ziel des »Gesetzes zur Sicherheit Ruandas (Asyl und Einwanderung)« ist es, Ruanda als sicheres Drittland für irregulär nach Großbritannien Einreisende zu bestätigen, und »Migration auf unsicheren und illegalen Wegen zu verhindern«, wie die Regierung auf der Parlamentshomepage erklärt.

Im Rahmen eines Fünfjahresabkommens sollen Asylsuchende ihre Anträge in dem Tausende Kilometer entfernten Land bearbeiten lassen. Im »Erfolgsfall« könnte ihnen der Flüchtlingsstatus in Ruanda zuerkannt werden und sie könnten dort bleiben. Wenn nicht, könnten sie aus anderen Gründen einen Antrag auf Niederlassung in Ruanda stellen oder in einem anderen »sicheren Drittstaat« Asyl beantragen.

Die Regierung musste jedoch im House of Lords in den vergangenen Tagen fünf Niederlagen hinnehmen. So sollen Gerichte die Sicherheit des ostafrikanischen Landes in Frage stellen können, fordern die Abgeordneten. Dies würde den Kern des Gesetzes zunichte machen: Mit seinem neuen Gesetzentwurf wollte Sunak rechtliche Anfechtungen verhindern, nachdem das Gesetz im vergangenen Jahr nach einer Klage der Beamtengewerkschaft PCS vom Obersten Gerichtshof für rechtswidrig erklärt wurde. Die Änderungsanträge setzen nun den Prozess des parlamentarischen »Ping-Pong« zwischen Ober- und Unterhaus in Gang. Dabei werden die Änderungsvorschläge so lange von den beiden Kammern debattiert, bis eine Einigung erzielt wird.

Das neue Gesetz soll den Ministern auch die Befugnis geben, wichtige Abschnitte des britischen Menschenrechtsgesetzes und anderer internationaler Regeln, die Abschiebungen im Wege stehen, zu missachten. Die Abgeordneten des Oberhauses kritisierten daher, dass es gegen das Völkerrecht verstoße. Kein Asylsuchender könnte einen Antrag auf Rückkehr nach Großbritannien stellen, erklärte die BBC am Dienstag. Wer nach dem 1. Januar 2022 »illegal nach Großbritannien einreist«, könnte »ohne zahlenmäßige Begrenzung nach Ruanda« abgeschoben werden, verkündete die Regierung. Sunak argumentiert, dass der Plan Menschen davon abhalten würde, mit kleinen Booten über den Ärmelkanal zu kommen.

Bisher wurde noch kein Asylsuchender nach Ruanda abgeschoben. Die Beamtengewerkschaft PCS boykottierte die ersten Abschiebeflüge, die im Juni 2022 starten sollten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stoppte den Flug in letzter Minute mit einer seltenen »Interimsmaßnahme«. Die PCS klagte gegen das Gesetz, der Oberste Gerichtshof gab ihr recht.

Dass Ruanda von den Gerichten als sicher eingestuft werden und die konservative Regierung dadurch mit den Abschiebungen beginnen könnte, wird immer unwahrscheinlicher. Wie die britische Zeitung Observer Ende Januar berichtete, hätten einige Asylsuchende aus Ruanda bereits positive Bescheide erhalten, da ihr Heimatland in ihren Verfahren als »nicht sicher« eingestuft wurde. Vier Geflüchteten aus Ruanda wurde der Flüchtlingsstatus zuerkannt, weil sie »begründete« Angst vor Verfolgung hatten, schrieb die Zeitung. Eine Untersuchung des Observer und der Kampagnengruppe »Led by Donkeys« enthüllte Einzelheiten der Entscheidungen des Innenministeriums, das den Geflüchteten recht gab, vom dortigen Regime gefährdet zu sein.

Mit den Niederlagen am Montag und Mittwoch hat die Regierung in dieser Phase des Begutachtungsprozesses alle Abstimmungen verloren. Dennoch will Sunak das Gesetz durch das Parlament peitschen und sieht es als wichtiges Thema im Wahlkampf. Des öfteren versprach er dem rechten Tory-Flügel, »noch vor den Wahlen, die ersten Menschen nach Ruanda zu schicken«. Mit einer harten Linie in der Asylpolitik versucht er den Rückstand von über 20 Prozent zu den Sozialdemokraten von Labour bis zur kommenden Wahl im Herbst aufzuholen.

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