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Aus: Ausgabe vom 08.03.2024, Seite 7 / Ausland
Krieg gegen Gaza

Israel wiegelt ab

Südafrika reicht Eilantrag in Den Haag ein, UN-Sonderberichterstatter wirft »Hungerkampagne« vor – Tel Aviv spricht von »Falschmeldungen«
Von Ina Sembdner
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»Nicht aufhören zu reden«: Aufforderung beim Protest vor dem Gerichtshof in Den Haag (26.1.2024)

Israel zerstört das Nahrungsmittelsystem des Gazastreifens als Teil einer breit angelegten »Hungerkampagne« in seinem Krieg gegen die militanten Hamas-Kämpfer. So lautete am Donnerstag das Urteil von Michael Fakhri, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung, in einer Rede vor dem UN-Menschenrechtsrat. Israel verweigere und beschränke nicht nur den Zufluss humanitärer Hilfe nach Gaza, sondern habe »eine Hungerkampagne gegen das palästinensische Volk im Gazastreifen gestartet«, fügte er hinzu und sagte, dass dies auch die Kleinfischer ins Visier nehme. Israel bestreitet alle Vorwürfe, auch wenn es vom Internationalen Gerichtshof (IGH) Ende Januar dazu aufgefordert wurde, Sofortmaßnahmen zu ergreifen, um einen Völkermord zu verhindern.

Da sich die israelische Kriegführung seither noch verschärft hat und neben der immensen Zahl Getöteter durch Raketen und Artilleriefeuer, die Zahl verhungerter Kinder täglich zunimmt, reichte Pretoria am Mittwoch einen Eilantrag beim IGH ein. Es ersucht den Gerichtshof, »weitere einstweilige Maßnahmen anzuordnen und/oder die in seinem Beschluss vom 26. Januar 2024 genannten Maßnahmen zu ändern (…), um dringend die Sicherheit von 2,3 Millionen Palästinensern im Gazastreifen zu gewährleisten, darunter über eine Million Kinder«. Aufgrund der »extremen Dringlichkeit der Situation« solle der Gerichtshof dies ohne eine Anhörung tun.

Israel forderte erwartungsgemäß eine energische Zurückweisung des südafrikanischen Eilantrages. »Südafrika fungiert weiterhin als rechtlicher Arm der Hamas und agiert gegen das Recht Israels, sich und seine Bürger zu verteidigen und sich für die Freilassung der Entführten einzusetzen«, sagte der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Lior Haiat, am Donnerstag auf X. Israel handele im Einklang mit dem Völkerrecht und lasse sehr wohl humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu. »In den vergangenen zwei Wochen sind täglich durchschnittlich 102 Lebensmitteltransporte in den Gazastreifen gelangt. Das sind fast 50 Prozent mehr als vor dem Beginn des Krieges durch die Hamas am 7. Oktober«, hatte Regierungssprecher Eylon Levy am Mittwoch erklärt. Es gebe eine »Flut von Falschmeldungen, Israel würde die Menge der Hilfslieferungen beschränken«. »Es gibt keine Beschränkungen. Ich wiederhole: keine«, betonte der Sprecher. Israel ermutige die Geberstaaten sogar, so viele Nahrungsmittel, Wasser, Medikamente und Ausrüstungen für Unterkünfte zu schicken, wie sie wollen. Zuletzt hatte jedoch das Welternährungsprogramm am Dienstag davon berichtet, dass ein Hilfskonvoi, der für den Norden des Gazastreifens bestimmt war, über Stunden aufgehalten, dann umgeleitet und letztlich von verzweifelten Palästinensern geplündert worden sei. Vergangene Woche eröffneten israelische Soldaten das Feuer auf Hunderte Menschen, die auf einen Hilfskonvoi warteten, mindestens 118 wurden dabei getötet, mehr als 700 verletzt.

Dass zuletzt mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelangt ist, bestätigt auch ein Bericht des UN-Nothilfeprogramms OCHA vom Mittwoch. So sei die Gesamtzahl der von den israelischen Behörden koordinierten humanitären Einsätze im Gazastreifen um 48 Prozent von 75 im Januar auf 111 im Februar gestiegen. »Die Wirksamkeit dieser verstärkten Bemühungen wurde jedoch durch die Einstellung der Operationen im Norden und eine allgemeine Verschlechterung der Sicherheit der Zivilbevölkerung, einschließlich der Mitarbeiter humanitärer Hilfsorganisationen, untergraben. Diese Verschlechterung war vor allem auf die geringere Präsenz der örtlichen Polizei zurückzuführen, nachdem es zu einer Reihe von Angriffen der israelischen Streitkräfte gekommen war, die zu Opfern bei der Polizei führten.« Der daraus resultierende Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung habe zu schwerwiegenden Zugangsbeschränkungen geführt, die die Beförderung von Hilfsgütern innerhalb des Gazastreifens und darüber hinaus erheblich behinderten.

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