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Aus: Ausgabe vom 07.03.2024, Seite 2 / Ausland
Krieg gegen Gaza

Norden Gazas verhungert weiter

Israel hält UN-Lieferung auf. Hilfskonvoi von Verzweifelten geplündert
Von Ina Sembdner
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Trauerzug für den verhungerten 10jährigen Yezen Al-Kfarna am Mittwoch in Rafah

Während die Hungersnot im Gazastreifen immer größer wird, wächst auch die Verzweiflung der rund 2,2 Millionen Palästinenser in der Küstenenklave. Am Dienstag abend meldete das UN-Welternährungsprogramm (WFP), dass ein Hilfskonvoi mit 14 Lastwagen erst von der israelischen Armee abgewiesen und dann von einer Menschenmenge geplündert worden sei. Der Konvoi habe am Kontrollpunkt Wadi Gaza im Südosten des Palästinensergebiets zunächst drei Stunden stehenbleiben müssen und sei dann umgeleitet worden, erklärte das WFP. Daraufhin habe eine »große Menge verzweifelter Menschen« die Lastwagen gestoppt und etwa 200 Tonnen an sich gerissen. Das WFP bezeichnete die Lage als »katastrophal«.

Im Norden des Streifens – wo nach örtlichen Angaben bereits mehr als ein Dutzend Kinder verhungert sind – ist die Lage besonders dramatisch. Das WFP erklärte, es prüfe alle Möglichkeiten, Lebensmittel in den nördlichen Gazastreifen zu bringen. Mehrere Länder haben angesichts der großen Not bereits Lebensmittel aus der Luft abgeworfen. UN-Vertreter hatten zuletzt im Weltsicherheitsrat vor dem Hungertod Tausender Zivilisten im Gazastreifen gewarnt. Dort brachten die USA nach monatelanger Blockadehaltung am Dienstag (Ortszeit) einen veränderten Resolutionsentwurf mit der Forderung nach einer »sofortigen Waffenruhe« ein. Weiter heißt es in dem dpa vorliegenden Papier, es brauche »zügig und dringend eine Vereinbarung über einen sofortigen Waffenstillstand von etwa sechs Wochen in Gaza und die Freilassung aller Geiseln«.

Laut einer Erklärung vom Mittwoch will die Hamas die »Verhandlungen mit den Vermittlern fortsetzen, um ein Abkommen zu erreichen, das die Forderungen und Interessen unseres Volkes erfüllt«. Man habe die erforderliche »Flexibilität« gezeigt, um ein Abkommen zu erreichen, das »eine Einstellung der Aggression« im Gazastreifen voraussetze, so die Hamas. Israel lehnt einen von der Hamas geforderten umfassenden Waffenstillstand bisher ab und strebt weiterhin eine Zerstörung der Organisation an.

Israel präferiert einem Medienbericht zufolge die Einfuhr von Hilfsgütern auf dem Seeweg. Die Regierung habe eine entsprechende Vereinbarung mit nicht näher benannten internationalen Institutionen getroffen, berichtete die Zeitung Haaretz am Mittwoch. Konkret gehe es um Güter, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten finanziert werden. Diese sollen demnach ab Sonntag über das Mittelmeer in das Küstengebiet gebracht werden. Die Schiffe würden dazu in Zypern beladen und von israelischen Behörden kontrolliert. Die Organisation World Central Kitchen (WCK) solle die Hilfsgüter dann vor Ort mit Hilfe von Luftkissenfahrzeugen zu einem von der israelischen Armee kontrollierten Dock bringen. Die Vereinten Nationen drängen derweil darauf, auch die Hilfslieferungen per Lastwagen auszuweiten und den Transport der Güter auch über Grenzübergänge zum besonders betroffenen Norden des Gebiets zuzulassen.

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  • Leserbrief von Holger K. aus Frankfurt (6. März 2024 um 22:46 Uhr)
    Man sollte meinen, eigenes erlittenes Leid erzeuge Mitgefühl für andere, die nun gleichfalls leiden. Doch weit gefehlt, zurückliegendes eigenes Leid kann sehr wohl verhärten, ja geradewegs hartherzig werden lassen. Bei Israel mit all seiner leidvollen Vergangenheit ist das Wohl der Fall, andernfalls lässt sich dessen Erbarmungslosigkeit gegenüber der palästinensischen Bevölkerung nicht anders erklären. Eine militärische Notwendigkeit für dessen ausgeprägter Inhumanität ist jedenfalls nicht erkennbar, schon weil die Bevölkerung des Gazastreifens überhaupt keinen aktiven Widerstand gegen den israelischen Staat leistet. Israel kann sich im Grunde nur auf die Geiselnahme von ca. 300 Personen beziehen, im Vergleich dazu müssen die besetzten Zivilisten außer mehr als 30.000 Toten, zahlreiche Verwundete und halb Verhungerte, sowie Abertausende Obdachlose beklagen. Zu all diesen Grauen kommt noch der teilweise Nahrungsmittelboykott durch den israelischen Staat hinzu. Diese Grausamkeit der Besatzer ist wahrhaft erschreckend.
    • Leserbrief von Susanne Bauer aus Kaiserslautern (11. März 2024 um 20:07 Uhr)
      Ich stimme Ihnen vollumfänglich zu. Das Morden der Israelis hinterlässt eine völlig traumatisierte palästinensische Bevölkerung, weitere Generationen, die voller Hoffnungslosigkeit heranwachsen. Womit kann die israelische Regierung die brachiale Gewalt noch rechtfertigen und wie kann sich die Bevölkerung auf der eigens geschaffenen Insel jemals sicher fühlen?

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