»Ich bin direkt vom Bundestag gewählt worden«
Interview: Kristian StemmlerWeil Ihre Partei im Bundestag den Fraktionsstatus verlor, wurden Sie vom Parlamentarischen Kontrollgremium zur Überwachung der Geheimdienste, dem PKGr, ausgeschlossen. Ihr Eilantrag dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht ist gescheitert. Wie bewerten Sie das?
Ich hatte schon im letzten Jahr öffentlich angekündigt, mich gegen einen eventuellen Ausschluss aus dem PKGr auch rechtlich zur Wehr zu setzen. Ich habe diesbezüglich nie eine offizielle Info bekommen, weder von der Bundestagspräsidentin noch vom Vorsitzenden des Gremiums. Ich wurde als vom Bundestag gewähltes Mitglied einfach nicht mehr zu den Sitzungen eingeladen. Da mein förmlicher Protest dagegen keinen Erfolg hatte, blieb mir nur noch der Klageweg. Den habe ich dann vorbereitet, nachdem ich auch im Januar nicht eingeladen wurde.
Warum haben Sie einen Eilantrag gestellt?
Womit ich überhaupt nicht gerechnet hatte, war, dass die CDU/CSU unter Duldung der Ampelkoalition einen eigenen Kandidaten für meinen Sitz im Kontrollgremium aufstellen würde. Deshalb musste ich sehr kurzfristig einen Eilantrag stellen, um dessen Wahl zu verhindern. Dieser war leider nicht erfolgreich. Das muss ich respektieren, zumal die Karlsruher Richter nur wenige Stunden Zeit hatten, den sehr komplexen Sachverhalt zu prüfen. Mein Antrag umfasst samt Anlagen mehr als 40 Seiten. Was ich allerdings wirklich nicht verstehe, ist die Begründung zur Ablehnung des Eilantrags.
Wie lautet die?
Es hieß, dass ich nicht ausreichend dargelegt hätte, wieso ich in meinen Rechten als Abgeordneter verletzt worden sei. Was muss denn noch geschehen, als dass ich ein Amt, in das ich mit großer Mehrheit vom Bundestag gewählt worden bin, nicht mehr wahrnehmen darf, weil zehn Abgeordnete um Sahra Wagenknecht die Fraktion verlassen haben?
Sind Sie optimistisch, dass Sie in der Hauptsache noch Erfolg haben?
Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich mit meinem Organstreitverfahren letztlich erfolgreich bin, wobei allerdings unklar ist, wann die Entscheidung fällt. Die Legislaturperiode endet ja bekanntlich im Herbst 2025, und beim Bundesverfassungsgericht dauern Verfahren oftmals mehrere Jahre. Dann werde ich dem Bundestag womöglich nicht mehr angehören, denn ich habe bereits vor Monaten erklärt, nicht mehr erneut zu kandidieren.
Zur Begründung nur so viel: Das Parlamentarische Kontrollgremium wird zu Beginn jeder Wahlperiode gewählt. Die Linke war für einen Platz vorschlagsberechtigt, und ich habe im zweiten Wahlgang 426 Stimmen bekommen, obwohl wir nur 39 Abgeordnete hatten. Ich hatte auch schon im ersten Wahlgang eine klare Mehrheit, aber da fehlten coronabedingt mehr als 100 Abgeordnete, so dass ich die sogenannte Kanzlermehrheit von 369 Stimmen nicht erreichte.
Sie vergleichen Ihren Fall mit dem Ihrer Parteikollegin und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Inwiefern lässt sich das vergleichen?
Wie Petra Pau bin ich auf Vorschlag der Linken, aber letztlich als Person direkt vom Deutschen Bundestag gewählt worden, und zwar für die Dauer der gesamten Legislaturperiode.
Sie gehören zu den erfahrenen Abgeordneten des Kontrollgremiums. Warum ist es wichtig, dass Sie als Linke-Abgeordneter ihren Sitz dort behalten?
Ich bin seit 1996 in der Geheimdienstkontrolle aktiv, erst im Sächsischen Landtag und nun im Bundestag. Ich war dort sogar der erste Vorsitzende des Gremiums der Linken in der deutschen Parlamentsgeschichte. Umso absurder ist der jetzige Ausschlussversuch. Dass ich immer zu den größten Kritikern der Geheimdienste gehörte, die Ausweitung von deren Befugnissen und die Forderungen nach immer mehr Haushaltsmitteln dafür abgelehnt habe, ist allgemein bekannt. Vielleicht ist auch das ein Grund, dass man mich in diesem sensiblen Gremium nicht mehr haben möchte.
Am Ende wurde sehr schnell ein CDU-Abgeordneter als Ihr Nachfolger in das Gremium gewählt.
Ich sehe darin vor allem eine Missachtung des Bundesverfassungsgerichtes. Ich bin legitim gewähltes Mitglied im Kontrollgremium, und dass ungeachtet eines anhängigen Verfahrens beim obersten Gericht des Landes vollendete Tatsachen geschaffen werden, ist vollkommen inakzeptabel.
André Hahn (Die Linke) ist Bundestagsabgeordneter aus Sachsen und stellvertretendes Mitglied im Innenausschuss
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Leserbrief von Paul Vesper aus 52062 Aachen (6. März 2024 um 10:08 Uhr)Lieber Genosse (?) André Hahn! Dass man Dich kalt aus dem Gremium herausmanövriert hat, ist schändlich und passt zu dem Berliner Politikbetrieb. Der politische Grund ist wohl der, dass für die nahe Zukunft weitaus größere Kriegsschweinereien als jetzt bekannte geplant sind, die nicht in »feindliche« Ohren gelangen sollen. Du wunderst Dich über die Ablehnungsbegründung Deines Eilantrags? Lass Dir von mir als Volljurist sagen, dass die Gerichte bei uns, nicht nur das Verfassungsgericht, diese Begründung immer heranziehen, wenn sie etwas nicht entscheiden wollen und die Begründung einer Ablehnung nicht »tragfähig« wäre. Nicht »substantiiert« heißt dann der juristische Fachausdruck. Das müsste Dir aber Euer Hausjurist Dr. Gysi schon verraten haben. Die Klage in der Hauptsache wird keinen Erfolg haben, weil die Sache sich durch Zeitablauf erledigt haben wird. Diese Juristen sind Teil des politischen Systems und finden immer eine Begründung für Rechtfertigungen übler Machenschaften der Herrschenden. Ich erinnere an die Erfindung des »bürgerlichen Tods« von Juden unter der Nazidiktatur, mit dem sie zunächst rechtlos gestellt und ausgeplündert, bevor sie später ermordet wurden. Ja, so sind sie, die Juristen. Politisch gewertet zeigt die Sache, dass die Fixierung auf den Parlamentarismus in die Sackgasse führt. Kopf hoch!
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