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Aus: Ausgabe vom 05.03.2024, Seite 1 / Ausland
»TAURUS«-Debatte

Förmlicher Protest aus Moskau

Abhöraffäre: Russland kritisiert Angriffsdiskussion deutscher Offiziere
Von Arnold Schölzel
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Der deutsche Botschafter Lambsdorff am Montag beim Verlassen des russischen Außenministeriums in Moskau

Die Veröffentlichung einer abgehörten Telefonkonferenz hoher deutscher Offiziere beschäftigte am Montag das offizielle Moskau, aber auch englischsprachige Medien. Laut einer Pressemitteilung des russischen Außenministeriums, wurde der deutsche Botschafter in Russland, Alexander Lambsdorff, »im Verlauf einer Demarche« (Protest) im Ministerium aufgefordert, eine Erklärung dazu abzugeben. Von der Bundeswehr sei »die Möglichkeit einer Belieferung des Kiewer Regimes mit ›TAURUS‹-Marschflugkörpern mit großer Reichweite sowie der Bereitstellung praktischer Hilfe für die ukrainischen Streitkräfte bei ihrem Kampfeinsatz gegen Ziele in Russland« besprochen worden, »was die Beteiligung des ›kollektiven Westens‹, einschließlich Berlins, an dem Konflikt um die Ukraine deutlich zeigt«. Außerdem sei Lambsdorff mitgeteilt worden, »dass die anhaltenden Versuche der deutschen Behörden, die Aktivitäten russischer Journalisten in Deutschland einzuschränken, inakzeptabel« seien und nicht ohne »strikte Reaktion« bleiben würden. Deutsche Medien berichteten bis zum Montag nachmittag weder über den Protest noch über dessen Inhalt.

Der Pressesprecher des russischen Präsidenten Dmitri Peskow erklärte am Montag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge, Bundeskanzler Olaf Scholz habe eine schnelle und gründliche Aufklärung des Falls angekündigt: »Wir hoffen, dass wir irgendwie erfahren, meinetwegen sogar durch die Medien, zu welchem Schluss die Untersuchung gekommen ist.«

Die New York Times beschäftigte sich am Montag ausführlich mit der Weigerung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), den deutschen Marschflugkörper »TAURUS« an die Ukraine zu liefern. In seinen Äußerungen sah die US-Zeitung einen Hinweis darauf, dass die USA, Großbritannien und Frankreich Kiew im Krieg gegen Russland heimlich dabei helfen könnten, Raketen auf russische Ziele zu lenken. Der britische Guardian titelte am selben Tag: »Britische Soldaten ›im direkten Einsatz‹ (›on the ground‹) in der Ukraine, heißt es in einem Leak des deutschen Militärs.«

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  • Leserbrief von Wolfgang Herzig aus Berlin (5. März 2024 um 10:42 Uhr)
    Für mich als ehemaligen Offizier stellt sich hier die Frage über welche Qualifikation die Generalität der Bundeswehr verfügt. Über öffentlich zugängliche Netze Diskussionen über den Einsatz von »TAURUS«-Raketen zu führen zeugt nicht von hoher Professionalität. Beweist aber auch, dass das deutsche Militär und mit ihnen die entsprechenden politischen Kreise die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben, die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges doch noch korrigieren zu können. Diese Offiziere sollten unverzüglich entlassen werden, bevor sie weiteren Schaden anrichten. Oder war diese ganze Aktion ein geplantes Spiel, um den Bundeskanzler zu diskreditieren und zu zwingen diese Raketen doch noch zu liefern? Auch diese werden, genau wie die »Leoparden«, »Abrams« oder »Challenger« den Ausgang des Krieges in der Ukraine nicht entscheidend beeinflussen. Eine weitere Frage stellt sich mir: Wenn wir befürchten, dass Russland die NATO angreifen wird, warum leeren wir dann die Arsenale und beeinträchtigen dadurch die Verteidigungsfähigkeit? Gibt es vielleicht noch geheime Waffenarsenale? Oder dient auch das dazu, die deutsche Bevölkerung auf einen Krieg vorzubereiten? Kriegstüchtig sollen wir ja schon werden. Und eine dritte Bemerkung: Mit einer Leichtfertigkeit diskutieren so genannte militärische Experten wie Frau Strack-Zimmermann von einem Kernwaffenkrieg. Haben diese Leute überhaupt eine Vorstellung davon, was der Einsatz von Atomwaffen bedeutet? Meinen sie wirklich, dass sich der Einsatz auf taktische Kernwaffen begrenzen lässt? Glauben sie allen Ernstes, dass sie 4 Wochen in ihren Bunkern überleben und danach geht das Leben weiter? Die beiden in Hiroshima und Nagasaki eingesetzten Atombomben wurden als Luftdetonationen gezündet und verursachten eine nur »geringe« Aktivierung der Erdoberfläche. Die Folgen sind auch heute noch spürbar.

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