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Aus: Ausgabe vom 02.03.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Energieversorgung

LNG aus dem Kongo für Europa

Erster Tanker mit Flüssigerdgas auf dem Weg in die Toskana. ENI-Konzern schwärmt von Potential
Von Alex Favalli
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Hauptsitz der »Ente Nazionale Idrocarburi« (Nationale Körperschaft für Kohlenwasserstoffe) in Rom

Eine erste Lieferung von Flüssigerdgas (LNG) hat in dieser Woche den Hafen der kongolesischen Stadt Pointe-Noire verlassen und müsste im Laufe der kommenden Tage das Terminal im toskanischen Piombino erreichen. Diese Erfolgsmeldung des italienischen Energiekonzerns Ente Nazionale Idrocarburi (ENI) (deutsch etwa: Nationale Körperschaft für Kohlenwasserstoffe), wurde von Konzernchef Claudio Descalzi so kommentiert: »Die erste LNG-Ladung aus dem Kongo ist das Ergebnis des starken Engagements von ENI und seinen Partnern sowie der kontinuierlichen Unterstützung durch die Regierung der Republik Kongo. ENI und die lokalen Partner haben Fachwissen, Know-how und Technologie ausgetauscht, was dem Land zusätzliche Einnahmen garantiert und zur Energiesicherheit Europas beiträgt«.

Das Fünf-Milliarden-US-Dollar-Projekt »Congo LNG« wurde im Dezember 2022 genehmigt. Bereits im darauffolgenden Jahr wurde mit der Förderung von Flüssigerdgas begonnen. Nun gab der italienische Energieriese bekannt, dass die in diesem Rahmen geplanten Anlagen eine Gasverflüssigungskapazität von rund 4,5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr erreichen sollen. Horrende Mengen, die von ENI vermarktet werden. Das LNG-Portfolio des Unternehmens wird dadurch deutlich erweitert.

Die ENI wurde 1953 gegründet und ist bereits seit 1968 im Kongo vertreten. Es handelt sich um das aktuell einzige Unternehmen, das die Gasressourcen des Landes erschließt. Bei der Erdölförderung hat der französische Total-Konzern die Nase vorn, ENI folgt knapp dahinter. Derzeit beliefert ENI auch das Kraftwerk »Centrale Électrique du Congo« mit Gas, das 70 Prozent der Stromerzeugungskapazität des Landes abdeckt.

Für die nähere Zukunft beabsichtigt ENI, das zentralafrikanische Land »in die Wertschöpfungskette der nachhaltigen Mobilität mit einzubeziehen«, wie aus einer aktuellen Pressemitteilung hervorgeht. Es sollen Pflanzen für eine Bioraffinerie angebaut und Initiativen zum Ausbau der Nutzung von Biomasse gefördert werden. So sollen die mit der Verbrennung fossiler Rohstoffe verbundenen Emissionen verringert werden.

Angesichts der rund 132 Milliarden Euro Jahresumsatz, die das Unternehmen 2022 mit Erdöl, Erdgas und Petrochemie erwirtschaftete, scheint dies zunächst ein klarer Fall von Greenwashing zu sein. Nichtsdestotrotz zeigte sich auch der Präsident der Republik Kongo, Denis Sassou-Nguesso, mit den Deals zufrieden. Seit dieser Woche gehört die Republik zu den LNG-Exportländern. Der Präsident erhofft sich dadurch Möglichkeiten für wirtschaftliches Wachstum. Gleichzeitig soll der »Beitrag Kongos zur globalen Energiebilanz« zu einer verbesserten politischen Ausgangslage bei internationalen Verhandlungen führen.

Der kongolesische Energieminister Bruno Itoua erklärte gegenüber AFP, dass die LNG-Herstellung in diesem Jahr 600.000 Tonnen betragen werde. 2025 sollen drei Millionen Tonnen erreicht werde. »Wir und unser Partner (ENI, jW) wollten das Projekt schnell umsetzen, weil es weltweit eine große Nachfrage nach Gas gibt«, sagte Itoua. »Die Krise zwischen der Ukraine und Russland hat zu Spannungen auf dem Markt geführt.«

Nach Angaben der kongolesischen Regierung werden die Gasexporte in diesem Jahr 29 Milliarden CFA-Francs (48 Millionen US-Dollar) zum Haushalt des Landes beitragen. Von der Energieproduktion werden allerdings nur sehr wenige Einwohner des Landes profitieren. Nach Angaben der Weltbank lebt die Hälfte der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze und 41 Prozent der jungen Kongolesen sind arbeitslos.

Doch ENI hat allen Grund zum Optimismus. Das Potential für Elektrifizierung durch LNG sei in der Region riesig, teilte der Konzern mit: Der Ausbau der Flüssigerdgasproduktion werde dazu beitragen, »die Bedingungen für den Zugang zu Energie in Gebieten wie den afrikanischen Ländern südlich der Sahara zu verbessern, wo trotz der großen Verfügbarkeit von Ressourcen mehr als eine halbe Milliarde Menschen nicht von der Stromerzeugung profitieren können«.

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  • Leserbrief von Doris Prato (4. März 2024 um 14:33 Uhr)
    Da sollte, was Italien betrifft, schon einiges ergänzt werden: Zunächst, dass es wie in Deutschland, u. a. auf Rügen/Mukran, gegen die Eröffnung von LNG-Terminells in Italien seit langem Proteste gegen eröffnete und weitere geplante gibt, darunter gegen den erwähnten Terminal in Piombino. Auch in Ravenna in der Emilia Romagna gegen die Installierung eines gigantischen 300 Meter langen und fast 50 Meter hohen LNG-Schiffes, das vor der Küste der Stadt jährlich 5 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus verflüssigtem Zustand bei Minus 162 Grad in den gasförmigen Zustand umwandeln soll. Außerdem sind in Italien – im Hafen von Panigaglia (Ligurien) und vor der Küste von Porto Viro auf Sardinien – bereits 2 in Betrieb. Wie auf Rügen warnen in Italien Umweltschützer vor der Gefahr, dass giftige, chlororganische Verbindungen in den Lebensmittelkreislauf gelangen können. Das in Ravenna 8,5 km von der Küste von Punta Marina entfernt liegende Schiff wird durch eine Pipeline auf See und eine weitere 34 km lange an Land verbunden, um das Gas in das Verteilungsnetz nordwestlich von Ravenna zu bringen. Das Netz verläuft südlich von Ravenna zwischen Tälern, Flüssen und Landschaften. Vertreter von Greenpace warnen, dass der normale Betrieb eines Regasifizierungsterminals die Verwendung des Bleichmittel (NaClO) in einem kontinuierlichen Zyklus als Antifouling erfordert. Riesige Mengen Meerwasser fließen so durch diese Rohre, und werden dann kalt, gechlort und sterilisiert ins Meer zurückgeführt, wobei das Risiko besteht, dass giftige, mutagene, biologisch schwer abbaubare chlororganische Verbindungen in den Lebensmittelkreislauf gelangen. Die Umweltaktivistin Nadia d’Arco, Sprecherin von No Rigas, verwies schon vor längerer Zeit darauf, dass das Wasser der Adria niedrig ist, häufige Baggerarbeiten für die Installation und Beständigkeit erforderlich sind, ganz zu schweigen von den etwa 50 Gastankern, die jährlich um sie herum kreisen werden. Die Wiedervergaser implizierten auch eine Verbreitung von LNG-Tankern auf See und LNG-Lagerstätten entlang der Küsten, mit einem erhöhten Unfallrisiko. Außerdem sollte man daran denken, dass das LNG aus Tausenden von Kilometern Entfernung kommt, was eine Energieverschwendung sei, es ferner u. a. durch Fracking produziert wird, was ebenfalls verheerend für die Umwelt und das Grundwasser ist.

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