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Aus: Ausgabe vom 02.03.2024, Seite 6 / Ausland
Waffengeschäfte

Kein Kriegsgerät für Genozid

Kolumbien und Spanien stoppen Waffenhandel mit Israel. Spanische Sozialdemokraten stimmen zu Hause für und auf EU-Ebene gegen ein Waffenembargo
Von Carmela Negrete
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»Keine spanischen Waffen mehr für Israels Krieg gegen Gaza« (Barcelona, 19.2.2024)

Das Massaker vom Donnerstag, bei dem mehr als hundert palästinensische Zivilisten bei der Verteilung von Hilfsgütern von der israelischen Armee getötet wurden, hat wirtschaftliche und diplomatische Folgen. Der Präsident Kolumbiens, Gustavo Petro, entschied am Donnerstag abend, dass sein Land ab sofort keine weiteren israelischen Waffen mehr kaufen wird. »Beim Anstehen für Lebensmittel wurden mehr als hundert Palästinenser von Netanjahu getötet«, schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst X und fügte hinzu: »Das ist Völkermord und erinnert an den Holocaust, auch wenn die Weltmächte das nicht wahrhaben wollen.« In einer anderen Nachricht forderte er, dass die Welt »Netanjahu blockieren muss«. Israel soll bisher das Land gewesen sein, aus dem Kolumbien die meisten »im Kampf erprobten« Waffen bezog, wie sie von Händler oft beworben werden.

Zur gleichen Zeit fand im spanischen Parlament eine Abstimmung über einen Antrag der linken Partei Podemos statt, in dem gefordert wird, die Beziehungen zu Israel abzubrechen und den Waffenhandel zu beenden. Die Abstimmung gliederte sich in sieben Fragen. Gegen die Waffengeschäfte mit Israel stimmten der sozialdemokratische PSOE, das Linksbündnis Sumar und Podemos. Für den Abbruch der Beziehungen votierten aber lediglich die Abgeordneten von Sumar und Podemos.

Auch wenn die Abstimmung gescheitert ist, handelte es sich dabei lediglich um einen rechtlich nicht bindenden Vorschlag. Da PSOE und Sumar sich in Fragen des Waffenhandels einig sind, ist zu erwarten, dass Ministerpräsident Pedro Sánchez sich daran hält. Doch bei der PSOE muss man auf alles gefasst sein: Am 23. Januar hatte der spanische Außenminister Manuel Albares im Radiosender Cadena SER erklärt, dass Spanien seit dem 7. Oktober keine Waffen an Israel verkauft. Doch das Friedensforschungszentrum Centre Delàs d’Estudis per la Pau fand heraus, dass im November Munition im Wert von fast einer Million Euro von Spanien nach Israel exportiert wurde. Sánchez versicherte daraufhin, dass der Deal vor dem aktuellen Krieg abgeschlossen wurde.

Am Mittwoch stimmte auch das EU-Parlament über einen Antrag der Linksfraktion ab und offenbarte dabei einmal mehr die doppelten Standards der sogenannten europäischen Wertegemeinschaft. Von den 534 Abgeordneten stimmten 393 gegen ein Waffenembargo gegen Israel, darunter acht deutsche Abgeordnete der Grünen, die bekanntlich mit dem Spruch »Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete« Wahlkampf gemacht hatten. Deutschland hat im November Munition im Wert von rund einer Million Euro an Israel geliefert und die deutsche Regierung plant nicht, das zu beenden. Für Sonnabend ist ein Vieraugengespräch zwischen dem deutschen Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Sánchez im Vatikan angesetzt. Ein Thema dürfte auch die zwiespältige Haltung der spanischen Sozialdemokraten sein. Während sie sich zu Hause ihren linken Koaltionspartnern angeschlossen hatten, stimmten die PSOE-Abgeordneten im EU-Parlament zusammen mit der SPD gegen ein Waffenembargo. Immerhin entschloss sich das EU-Parlament am Mittwoch, zu einem »sofortigen Waffenstillstand« aufzurufen.

Die irische Abgeordnete Clare Daly von der sozialistischen Partei Unabhängige für den Wandel erinnerte vor der Abstimmung an die Erklärung des Internationalen Strafgerichtshofes, der die Gefahr eines Völkermordes in Gaza festgestellt hatte. »Die Gesetze zur Verhinderung von Genozid sind sehr klar; sie verlangen von den Ländern, dass sie nicht zu Komplizen werden.« In bezug auf die deutschen Waffenlieferungen sagte sie: »1982 stoppten erzkonservative Pro-Israelis wie Margaret Thatcher oder Ronald Reagan während eines Krieges Waffenlieferungen an Israel (…) Aber im Jahr 2024 unterstützen die europäischen Grünen, Sozialdemokraten und Liberalen einen Genozid mit Waffen. Schämt euch!«

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