junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Sa. / So., 27. / 28. April 2024, Nr. 99
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 01.03.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Arbeitskämpfe in Großbritannien

Ein Schuss vor den Bug

Britische Lokführer erneut im Ausstand. Bahnbetreiber verdreifachen Gewinne und verweigern Beschäftigten Inflationsausgleich
Von Dieter Reinisch
9.jpg
»Wir haben die Nase voll!«: Mick Whelan, Chef der Lokführergewerkschaft ASLEF, bei einer Streikkundgebung in London (30.1.2024)

In England ist der Arbeitskampf bei zwei Eisenbahngesellschaften eskaliert: Am Donnerstag traten die Lokführer von LNER und Northern Trains nach einem Aufruf der Gewerkschaft ASLEF in einen dreitägigen Ausstand. »Wir haben genug von der Unredlichkeit, die diese beiden Unternehmen Tag für Tag, Woche für Woche und Monat für Monat an den Tag legen«, begründete ASLEF-Generalsekretär Mick Whelan den Ausstand. »Diese Unternehmen glauben, dass sie Vereinbarungen, die sie freiwillig eingegangen sind, brechen können, wann immer es ihnen passt. Und sie irren sich. Das ist ein Schuss vor den Bug und ein Zeichen für das, was noch kommen wird«, so der Gewerkschafter.

Konkret kritisiert ASLEF die Nichteinhaltung verschiedener Vereinbarungen und Verfahren durch die beiden Unternehmen, bei denen es um Mobbing, Einschüchterung und Gaslighting von Gewerkschaftsvertretern geht. Diese Streitigkeiten seien »völlig unabhängig von unserem Tarifkonflikt«, erklärte Whelan.

Tatsächlich kämpft die Gewerkschaft seit mehr als anderthalb Jahren für bessere Löhne, Arbeitsbedingungen und Arbeitsplatzsicherheit bei insgesamt 16 Eisenbahngesellschaften, darunter LNER und Northern Trains. Die anderen Bahngewerkschaften TSSA und RMT hatten bereits im Frühjahr und im Dezember 2023 nach langen Kämpfen einem Abkommen mit der Regierung und den beiden Konzernen zugestimmt. Die Vereinbarungen bedeuteten jedoch Reallohnverluste, so dass ASLEF beschloss, den Arbeitskampf fortzusetzen.

Obwohl ASLEF die kleinere Gewerkschaft ist, hat sie mehr Macht, denn während eines Streiks können die Lokführer nicht ersetzt werden – wenn sie die Arbeit niederlegen, steht der gesamte Bahnverkehr still. Das war auch am Donnerstag wieder der Fall, obwohl LNER seit einiger Zeit versucht, an Streiktagen mit neuem Personal zu fahren. Die Streikbrecher bekommen 500 Pfund (583 Euro) pro Schicht, kennen die Strecken aber kaum. Trotz ihres Einsatzes mussten einzelne Verbindungen gestrichen werden.

Der aktuelle Ausstand ist der Auftakt zu einer Reihe weiterer Streiks bei den britischen Eisenbahnen im gesamten Monat März. So werden beispielsweise mehr als 300 Beschäftigte der London Overground am kommenden Montag um Mitternacht in einen 24stündigen Streik treten. Aufgerufen sind Sicherheits-, Stations-, Steuer- und Kontrollpersonal, die in der RMT-Gewerkschaft organisiert sind. Im April 2023 hatte die ASLEF ein Angebot von vier Prozent Lohnerhöhung bei der London Overground abgelehnt. Seitdem hatte es keine offiziellen Gespräche zwischen Regierungsvertretern, dem Konzern und der Gewerkschaft gegeben. Selbst die RMT strebt hier ein Lohnangebot an, das über der Inflationsrate liegt.

Bahnbetreiber im ganzen Land argumentieren, dass Lohnerhöhungen nur durch Steuererhöhungen und weitere staatliche Subventionen möglich seien. Offizielle Zahlen hingegen zeigen, dass die Bahngesellschaften ihre Gewinne innerhalb eines Jahres verdreifacht und mehr als 400 Millionen Pfund (467 Millionen Euro) an Dividenden ausgeschüttet haben, wie der Guardian Mitte des Monats berichtete. Nach Angaben des Office of Rail and Road sind die Gewinnmargen der Bahnbetreiber im vergangenen Jahr auf 41,6 Prozent gestiegen, nicht zuletzt, weil die Fahrpläne drastisch zusammengestrichen und die Löhne der Beschäftigten eingefroren wurden.

2 Wochen kostenlos testen

Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

Informieren Sie sich durch die junge Welt: Testen Sie für zwei Wochen die gedruckte Zeitung. Sie bekommen sie kostenlos in Ihren Briefkasten. Das Angebot endet automatisch und muss nicht abbestellt werden.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

Ähnliche:

Mehr aus: Kapital & Arbeit