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Aus: Ausgabe vom 01.03.2024, Seite 5 / Inland
Arbeitskampf

ÖPNV fast bundesweit bestreikt

Verdi kämpft mit Verbänden und Klimaschützern für bessere Arbeitsbedingungen im Nahverkehr
Von Gudrun Giese
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Nichts geht mehr bei den Berliner Verkehrsbetrieben am Donnerstag

Die Gewerkschaft Verdi hat die Beschäftigten im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in dieser Woche beinahe bundesweit zum Arbeitskampf aufgerufen. Höhepunkt ist an diesem Freitag ein gemeinsamer Streik mit Fridays for Future und verschiedenen Umwelt- und Sozialverbänden. Lediglich in Bayern wird nicht gestreikt, da der dortige Tarifvertrag nicht gekündigt wurde. Außerdem gab es am Mittwoch eine Einigung im Saarland, wo damit weitere Streiks vom Tisch sind, wie Verdi mitteilte. In dem südwestlichen Bundesland wurden eine Inflationsausgleichszahlung in Höhe von 1.000 Euro, die Übertragung des Tarifabschlusses für den öffentlichen Dienst, ein Samstagzuschlag und ein Krankengeldzuschuss verabredet. Zudem wird die Jahressonderzahlung von 85 auf 100 Prozent des Monatslohns steigen. Der Abschluss tritt rückwirkend zum 1. Januar in Kraft und hat eine Laufzeit bis 31. Dezember 2025.

Mit der bundesweiten Aktionswoche will Verdi vor allem bessere Arbeitsbedingungen für rund 90.000 Beschäftigte in mehr als 130 kommunalen Nahverkehrsunternehmen durchsetzen: Zu den Forderungen gehören Verkürzung der Wochenarbeitszeit, höhere Urlaubsansprüche, zusätzliche Entlastungstage für Schicht- und Nachtarbeit sowie eine Begrenzung der unbezahlten Wegezeiten im Betrieb. Zudem geht es um Schichtzulagen. Ausgerechnet für Beschäftigte im Fahrdienst gebe es diese nicht, obwohl sie ihren Dienst zu unterschiedlichen und belastenden Zeiten beginnen und beenden, so Verdi.

In Baden-Württemberg waren am Donnerstag nach Angaben der Gewerkschaft rund 4.500 Beschäftigte der kommunalen Nahverkehrsbetriebe in Stuttgart, Karlsruhe, Heilbronn, Freiburg, Baden-Baden, Esslingen und Konstanz im Ausstand. »Wer bestellt, sollte auch zahlen«, sagte Jan Bleckert, Verdi-Verhandlungsführer für die Region. »Die Politik will eine Verdoppelung des ÖPNV bis 2030 erreichen, ohne für eine auskömmliche Finanzierung zu sorgen. Und wir sollen in Tarifverhandlungen akzeptieren, dass der notwendige Ausbau des kommunalen Nahverkehrs von den Beschäftigten selbst durch schlechte Arbeitsbedingungen bezahlt wird.« Für die dritte Verhandlungsrunde am 5. und 6. März in Stuttgart erwarte er von der Gegenseite ein Angebot, das »der Verantwortung und Belastung im Fahrbetrieb gerecht wird«. Nur so könnten Beschäftigte gehalten und neue gewonnen werden. Mitarbeiter und Nahverkehrsunternehmen sollten sich gemeinsam »für eine ausreichende Finanzierung bei der Politik« stark machen, so Bleckert. »Wir sitzen im gleichen Boot.«

Die Verdi-Bundesvorsitzende Christine Behle begründete den verschärften Arbeitskampf damit, dass »das Signal« der Streiks vom 2. Februar »anscheinend nicht ausreichend verstanden« worden sei. Überall herrsche ein dramatischer Personalmangel, der Druck auf die Beschäftigten sei deshalb enorm hoch. Täglich fielen Bus- und Bahnverbindungen aus, weil nicht genügend Personal zur Verfügung stehe. »Es muss dringend etwas geschehen, damit die Beschäftigten entlastet werden. Die Arbeitgeber sind jedoch nach wie vor nicht bereit, den Beschäftigten entgegenzukommen.«

Zum Abschluss der Streikwoche sollen an diesem Freitag in mehr als hundert Städten Aktionen mit Fridays for Future und diversen Verbänden stattfinden. Der Kampf der Beschäftigten des ÖPNV für bessere Arbeitsbedingungen wird von den Klimaaktivisten schon lange unterstützt. Sie sehen in der Stärkung des öffentlichen Verkehrs das »Herzstück« einer »sozial gerechten Mobilitätswende«. Nach Angaben von Verdi werden durch die Beförderung von täglich 28 Millionen Fahrgästen im Nahverkehr heute 9,5 Millionen Tonnen CO2 im Jahr vermieden … mit viel Luft nach oben. Eine gemeinsame Petition mit dem Titel »Vorfahrt ÖPNV! – Mobilität für alle und gute Arbeit für die Beschäftigten im ÖPNV« soll am Freitag in Berlin von Vertretern von Verdi und Fridays for Future an die Bundespolitik übergeben werden.

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