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Aus: Ausgabe vom 29.02.2024, Seite 8 / Inland
Altlasten der Plasteindustrie

»Unsere Flussläufe werden immer wieder neu zugemüllt«

Indonesien: Plasteabfälle sind ein stetig wachsendes Problem. Ein Gespräch mit Vanessa Letizia und Erdy Suryadarma
Interview: Thomas Berger, Bandung
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Ein Arbeiter sammelt Müll aus einem Kanal in Jakarta (14.2.2023)

Südostasien hat ein riesiges Plastikmüllproblem. In Indonesien ist das vielerorts verschärft zu spüren. Wie engagiert sich Ihre Umweltorganisation »Greeneration Foundation«?

Erdy Suryadarma: Wir sind seit fast zehn Jahren aktiv und das Thema Müll stand seit Anbeginn im Fokus. Es geht dabei um viele Einzelaspekte, von Nachhaltigkeit bis zum individuellen Konsumverhalten. Auch wenn wir uns inzwischen ergänzend dem Klimaschutz widmen, bleibt die Müllproblematik unser Schwerpunkt. Da ist noch zu viel zu tun.

Wie sehen Ihre Aktivitäten konkret aus?

Vanessa Letizia: Wir haben unter anderem mit unserem Programm »Eco Ranger« in 14 Provinzen rund 10.000 Menschen erreicht. Dabei geht es auch um Aufklärung, vor allem aber um konkreten Einsatz, insbesondere das Einsammeln von Müll in touristischen Gebieten. Rund 250.000 Kilogramm sind dabei schon zusammengekommen. In einem zweiten Projekt geht es um sogenanntes Community Empowerment, also konkrete Lösungen, wie lokale Gemeinschaften ihre bestehende Müllprobleme lösen. Müllentsorgungs- und Aufbereitungs­systeme sind in vielen Orten nur rudimentär vorhanden. Dritter Schwerpunkt sind Seminare und Konferenzen, also ein Forum, bei dem wir mit Vertretern von Regierungsseite und aus der Wirtschaft zusammenkommen, um das Thema Stoffkreisläufe zu erörtern. Wir müssen nach zehn Jahren feststellen, dass vielen Kommunen das Geld für ordentliche Entsorgungssysteme fehlt. Es braucht also Bewusstseinsbildung zur Müllminimierung einerseits und praktische Lösungen andererseits.

Wie erfolgreich sind diese Projekte?

E. S.: Das läuft schon sehr gut. Zum Beispiel die Säuberungskampagne für einen großen Abschnitt des Flusses Citarum. Er fließt nahe Bekasi, am östlichsten Rand des Ballungsraums Jakarta, und gilt als einer der am schlimmsten verschmutzten Flüsse weltweit. Wir haben da mit der lokalen Fischergemeinschaft in großem Umfang Müll gesammelt. Das sind insbesondere Plasteabfälle. Auch die Regierung hatte eine Taskforce gegründet. Zur traurigen Wahrheit gehört jedoch, dass der Effekt solcher Einsätze nur eine gewisse Zeit anhält. Gerade unsere Flussläufe werden immer wieder neu zugemüllt. Vieles davon gelangt sogar am Ende bis ins Meer. Viele Menschen handeln nach dem Motto: aus den Augen, aus dem Sinn.

Dieser »Jo-Jo-Effekt« ist sicherlich frustrierend. Gibt es Hoffnungszeichen für echte, dauerhafte Verbesserung?

V. L.: Durchaus. Es gibt eine gewisse Rahmengesetzgebung zum Müll, auch zur Mülltrennung. Die muss aber umgesetzt werden, und es braucht lokal funktionierende Systeme dafür. Vor allem Partner-NGOs machen da noch Druck zur Verfeinerung der Gesetze. Ein Fortschritt ist aber zum Beispiel, dass man inzwischen in vielen Geschäften gefragt wird, ob man eine Plastetüte tatsächlich braucht. Diese kosten dann oft extra. Seit mehreren Jahren läuft diese Kampagne und wir sehen da einen Bewusstseinswandel: Anfangs gab es noch teilweise großes Unverständnis, jetzt machen viele Menschen sehr gern mit. Am 21. Februar hatten wir zudem wieder unseren »Waste Awareness Day« mit Aktionen von etlichen Communities.

E. S.: Das Datum geht auf ein Unglück zurück. 2005 gab es an diesem Tag hier in Bandung eine Explosion auf einer Mülldeponie. Hundert Menschen sind damals verletzt worden. So etwas rüttelt auf. Müllverbrennungsanlagen sind sicher nicht die beste Option, aber die bloße Ablagerung auf riesigen Flächen ist es auch nicht.

Wie schwierig ist es, staatliche Stellen ins Boot zu holen?

V. L.: In den Köpfen tut sich was, aber das Umweltministerium ist eher schwerfällig. Bessere Erfahrungen haben wir mit den Leuten vom Planungsministerium gemacht. Dort gibt es tatsächlich eine gewisse Vision von einer Kreislaufwirtschaft, bei der man zur gemeinsamen Entwicklung eines Aktionsplans anknüpfen kann. Es lässt sich aber nicht verhehlen, dass noch ein weiter Weg zu gehen ist.

Vanessa Letizia und Erdy Suryadarma sind Direktoren der indonesischen Umweltorganisation »Greeneration Foundation« mit Hauptsitz in Bandung

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